Der Innenausschuss des Europäischen Parlaments hat heute bei nur einer Gegenstimme dafür gestimmt, dass Internetanbieter auf behördliche Anordnung binnen einer Stunde „terroristische Inhalte“ sperren sollen. Nächste Woche soll das Parlament insgesamt abstimmen. Dr. Patrick Breyer, Jurist und Spitzenkandidat der Piratenpartei zur Europawahl, kritisiert:

„Die leicht zu umgehenden Internetsperren nach Artikel 4 der Verordnung würden das Aus für unzählige Internetdienste bedeuten: Rund um die Uhr erreichbar zu sein, um Löschanordnungen innerhalb 60 Minuten Folge leisten zu können, können kleine Unternehmen und ehrenamtliche Betreiber nicht gewährleisten. Profitieren würden die großen Quasi-Monopolisten wie Facebook, die über die nötigen Ressourcen verfügen. Mit der heutigen Entscheidung übergehen die Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen die diesbezügliche Kritik von UN-Sonderberichterstattern und EU-Grundrechteagentur.“

Breyer sieht auch Gefahren für die Meinungsfreiheit:

„Die nationalen Internet-Zensurbehörden sollen zwar nominell unabhängig sein, aber es gibt dafür keinerlei Garantien, gerade in autoritär regierten Staaten wie Ungarn oder Polen. Dieses Instrument droht politisch missbraucht zu werden. Es gibt nicht einmal einen Richtervorbehalt für Sperranordnungen. Internet-Zensur ist der falsche Weg, um gewaltbereitem Extremismus zu begegnen. Wenn man sich über terroristische Gruppierungen nicht mehr im öffentlichen Netz informieren kann, werden Sympathisanten sich bei ihnen registrieren müssen und geraten so in noch größere Gefahr der Vereinnahmung und Radikalisierung.“

Im Einzelnen kritisieren die Piraten:

1. Viele Internetdienste müssten den Betrieb einstellen:
Die EU-Zensurverordnung erfasst nahezu alle Internetdienste, beispielsweise Blogs mit Kommentarfunktion, Meinungsforen, Wikipedia, Filesharing-Dienste, Software-Entwicklungsportale oder Nachrichtenportale mit Kommentarfunktion – selbst wenn noch nie terroristische Inhalte dort veröffentlicht wurden. Durch die Verordnung droht einer Vielzahl von Internetdiensten das Aus, weil deren Anbieter die geforderte Löschung von Inhalten binnen einer Stunde – selbst zur Nachtzeit – nicht gewährleisten können und sich hohen Strafen ausgesetzt sehen.

2. Fehlende Anforderungen an die Unabhängigkeit der Zensurbehörden:
Es gibt keinen Richtervorbehalt für Sperranordnungen.

3. Untaugliche Internetsperren durch Geoblocking:
Es ist anzunehmen, dass Anbieter einfache Techniken zur Geolocation einsetzen werden, weil sie „terroristische Inhalte“ nicht löschen, sondern nur für Nutzer aus der EU sperren müssen. Eine solche Sperre lässt sich jedoch technisch leicht umgehen. Die Verbreitung terroristischer Propaganda wird somit de facto nicht verhindert.