Zum 75. Jahrestag des “Gesetzes Nr. 104 zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus” vom 5. März 1946
Die ideologische Gleichschaltung im nationalsozialistischen Deutschland hatte nachhaltigen Einfluss auf die deutsche Nachkriegsgesellschaft und deren Ver- und Aufarbeitung der Verbrechen des sogenannten “Dritten Reich”. Um die nationalsozialistische Ideologie aus Deutschland und seinen Behörden zu verbannen, erließen die alliierten Besatzungsmächte Gesetze zur “Entnazifizierung”. Ein zweifellos historisches Ereignis: Vor 75 Jahren, am 5. März 1946, wurde das “Gesetz Nr. 104 zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus” veröffentlicht.
Um der “Entnazifizierung” Deutschlands eine rechtliche Grundlage zu verschaffen, wurde das Gesetz 104 zunächst in der amerikanischen Besatzungszone erlassen, und im Laufe des Jahres 1946 in den anderen westlichen Besatzungszonen übernommen. Dieses Gesetz beinhaltete, Aktive des nationalsozialistischen Regimes in Verantwortlichkeitskategorien von “Mitläufer” bis “Hauptschuldiger” einzuordnen; dazu wurden sogenannte “Spruchkammern” eingerichtet. Nur kurze Zeit später, am 13. März 1946, erließ in Bayern der damalige Ministerpräsident Wilhelm Högner das “Gesetz Nr. 14 gegen Rassenwahn und Völkerhaß”, um wiederaufkeimender antisemitischer und nationalsozialistischer Propaganda Einhalt zu gebieten. Nachdem im Oktober 1945 bereits das “Staatskommissariat für die Betreuung der Juden in Bayern“ eingerichtet worden war, folgte am 26 März 1946 das “Staatskommissariat für politisch Verfolgte”, um Entschädigungsansprüche von Verfolgten der Nazi-Diktatur zu regeln. Wenig später wurden diese beiden Kommissariate vereinigt unter einem zusammenfassenden “Staatskommissariat für rassisch, religiös und politisch Verfolgte”.
Die “Entnazifizierung” wurde vielerorts begleitet von “antifaschistischen Aktionsbündnissen”, die sich für Antimilitarismus und Entnazifizierung einsetzten. Um auf die Interessen ehemals Verfolgter aufmerksam zu machen, und deren Interessen gegen Behörden durchzusetzen, fanden sich diese Bündnisse oft zu organisierten Vereinigungen zusammen. Im Laufe der folgenden Jahre zersplitterten viele dieser Organisationen jedoch wieder und traten in Konkurrenz untereinander. Der Hintergrund dafür war vor allem der zunehmende „Kalte Krieg“ zwischen westlich-demokratischer und östlich-sowjetischer Regierungsform, der die deutsche Politik in hohem Maße beeinflusste.
Die tiefe Verankerung der nationalsozialistischen Ideologie in der Gesellschaft des “Dritten Reiches”, die dessen Regime so lange an der Macht hielt und in Reaktion derer die Entnazifizierungs-Maßnahmen ergriffen wurden, überrascht noch heute. Die Erinnerung an den Terror der Nazis und den schwierigen Umgang damit in der Nachkriegszeit am Leben zu erhalten ist unser aller Aufgabe, sodass wir uns als Gesellschaft nicht mehr von unseligen Ideologien verleiten lassen. Die nationalsozialistische Agenda wurde nach Kriegsende für alle sichtbar als verbrecherisches Regime offenbar, doch nicht immer zeigen sich die negativen Auswirkungen einer Ideologie so deutlich. Daher müssen wir lernen, wie Gesellschaften einer so eindeutig falschen Ideologie folgen konnten – um uns selbst und unsere Ansichten in der Zukunft immer wieder zu hinterfragen.
„Trotz Entnazifizierung gelang vielen Tätern des NS-Regimes mit dem sogenannten ‚Persilschein‘ oder auch unter falschen Namen der Weg zurück in wichtige Positionen und Ämter in der Politik, der Justiz, der Verwaltung und an die Universitäten. Auch noch Jahre nach dem ‚Entnazifizierungsschlussgesetz‘ wurden solche Fälle bekannt. Und es bleibt wichtig, genau hinzusehen, daher engagieren wir PIRATEN uns im Aktionsbündnis Aufstehen Gegen Rassismus.“
Mickey Sinclair, Bundesthemenbeauftragter Migration & Asyl.
Zur Information verweisen wir hier auch auf die Pressemeldung der VVN-BdA München (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V.). Die VVN-BdA wurde aus einer antifaschistischen Initiative zum Jahreswechsel 1946/47 gegründet, um Verfolgten des Nationalsozialismus zu ihrem Recht zu verhelfen. Heute ist der Verband in der Arbeit zur Erinnerungskultur aktiv. Die VVN-BdA und die Piratenpartei Deutschland sind Netzwerkpartner im Aktionsbündnis “Aufstehen Gegen Rassismus” (Redmine Beschluss #47276 vom 24. Januar 2019).