Der Vorstoß der EU-Kommission, alle Nachrichten im Internet auf Material von Kindesmissbrauch zu untersuchen, stößt auf harte Kritik – und das zu Recht. Zunächst einmal ist es grundlegend abzulehnen, alle Bürger unter Generalverdacht zu stellen. Zu den diversen Konsequenzen für die Privatsphäre kommt auch noch eine massive Gefährdung der gesamten Infrastruktur und Wirtschaft hinzu. Denn entgegen dem, was uns einige Politiker wieder weismachen wollen, gibt es keinen Weg, die Nachrichten zu durchsuchen und sie trotzdem sicher zu halten.
Bereits bei der Urheberrechtsreform tat sich damals besonders Axel Voss von der CDU mit dem Versuch Realität neu zu definieren. Obwohl ihm die technischen Grundlagen völlig fremd waren befand er, dass Uploadfilter technisch gar kein Problem seien und man sich nicht so haben solle. Abgesehen davon wären ja keine Uploadfilter vorgeschrieben, nur technische Maßnahmen, um illegale Inhalte zu verhindern.
Genau solche Wortschöpfungen und Bedeutungsverbiegungen passieren jetzt wieder mit der Chatkontrolle. Man wolle keine Backdoors, sondern eine Frontdoor. Die Verschlüsselung solle nicht geschwächt, sondern nur ein Generalschlüssel eingebaut werden.
Eine Ente schwimmt und quakt ganz gleich ob man sie als „Wasservogel“ oder „Ente“ bezeichnet. Genau so ist das mit einer Backdoor, die zur Frontdoor umbenannt wird. Oder einer unsicheren – und daher unbrauchbaren – Verschlüsselung, zu der es einen Generalschlüssel gibt. Realität ändert sich nicht, nur weil man Begriffe erfindet oder falsch verwendet.
Bei einer Chatkontrolle werden die Nachrichten an der Stelle, an der die Überprüfung stattfindet, ausgepackt. Damit ist keine sichere Kommunikation zwischen den Teilnehmern mehr gegeben, völlig egal welche linguistische Verrenkung dafür erfunden wird. Und dabei ist zu beachten, dass „Chatkontrolle“ auch als Begriff zu kurz greift. Die EU-Kommission will nicht nur „Chats“, sondern alle Arten von Nachrichten durchleuchten, inklusive eMails.
Auch irgendwelche wirren Konstrukte, die Prüfung bereits auf den Endgeräten mittels eines Hash-Wertes durchzuführen, bringen keine Verbesserung der Lage. Dies würde einen massiven Eingriff in die Endgeräte bedeuten, der über alle Plattformen und Dienste hinweg passieren müsste. Einher geht das dann mit einer Sicherheitslücke für das Nachladen der Überprüfungsdaten und -algorithmen.
Es bleibt festzuhalten, dass die Chatkontrolle eine gefährliche Idee ist. Die Umsetzung würde Privatsphäre im digitalen Raum abgeschaffen. Sehr einfach zu nutzende Einfallstore für Cyberangriffe können geöffnet werden, durch die sämtliche elektronische Kommunikation kompromittiert werden kann. Die Chatkontrolle ist nicht nur ein Angriff auf unsere Grundrechte, sondern gleichzeitig auch auf die gesamte digitale Infrastruktur und jegliche Form von vertraulicher Kommunikation, wie Geschäftsgeheimnisse und Zugangsdaten.
Jeder Terrorist würde sich über so ein System freuen und alle Diktatoren würden vor Neid erblassen.
Ihr wollt mithelfen, die Chatkontrolle zu verhindern? Dann unterschreibt jetzt die laufende Petition „Chat-Überwachung stoppen!“: aktion.campact.de/datenschutz/chatkontrolle-stoppen/teilnehmen
Chatkontrolle oder: wie wir schon wieder m. it Wortschöpfungen getäuscht werden sollen.