Trotz massiver Kritik von Experten, über 150.000 Demonstranten allein am 23. März 2019 und über 5,3 Millionen Petitionsunterzeichnern nahm das EU-Parlament am 26. März 2019 die EU-Urheberrechtsreform inklusive der sehr umstrittenen Artikel 11 und Artikel 13, mittlerweile Artikel 15 und Artikel 17, an. Damit wurden die größten Proteste, die es für ein freies Internet jemals gab, vom Europaparlament und der Bundesregierung einfach ignoriert.
„Mit der Annahme der Urheberrechtsreform im EU-Parlament wurde ein Stück unserer digitalen Meinungsfreiheit zum Profit der Contentindustrie verkauft und gleichzeitig dem Aufbau einer leicht zu missbrauchenden, fehleranfälligen und dazu noch ineffektiven Zensurinfrastruktur Tür und Tor geöffnet. Noch ist die Urheberrechtsreform nicht in deutsches Recht umgesetzt worden. Je nachdem, wie die Bundesregierung diese umsetzt, wird das mehr oder weniger Schaden für uns Internetnutzer zur Folge haben. Nur zusammen und mit genügend öffentlicher und medialer Aufmerksamkeit können wir es schaffen, den durch die Urheberrechtsreform verursachten Schaden so gut es geht zu minimieren! Dabei kann jeder einzelne helfen, auch Du!“ Dr. Patrick Breyer, Bürgerrechtler und Europaabgeordneter der Piratenpartei
Aktueller Stand
Mittlerweile haben die Mitgliedsstaaten der EU noch etwas mehr als ein Jahr Zeit, um die neue Richtlinie zum Urheberrecht in nationales Recht umzusetzen. Bisher hat die Bundesregierung weder irgendwelche Vorschläge für die Umsetzung veröffentlicht, noch sich dazu geäußert, wie sie das ohne Uploadfilter hinbekommen möchte. Dass eine Umsetzung ohne Uploadfilter nicht möglich ist, ohne dabei gegen die Richtlinie der EU zu verstoßen, bezweifelt nicht nur die Piratenpartei, sondern auch viele Experten. Deshalb ist es leider auch weiterhin unwahrscheinlich, dass in Deutschland am Ende der Umsetzung dieser Richtlinie keine Uploadfilter im nationalen Recht landen werden. Ab dem 7. Juni 2021, bis zu dem die EU-Urheberrechtsreform in nationales Recht umgesetzt worden sein muss, gilt diese Richtlinie in Deutschland.
Entwicklung seit der Abstimmung
Am 26. März 2019 hat das EU-Parlament die Urheberrechtsreform inklusive der in Artikel 13 bzw. Artikel 17 vorgeschriebenen Uploadfilter angenommen. Seitdem hat sich einiges bezüglich der Urheberrechtsreform und der Umsetzung von dieser getan.
Klage Polens:
Nicht einmal zwei Monate nach der Abstimmung im Europaparlament hat Polen eine Klage gegen die Urheberrechtsreform beim europäischen Gerichtshof eingereicht. Die polnische Regierung begründet ihr Vorgehen damit, dass sie in der Richtlinie „eine erhebliche Bedrohung“ der Meinungsfreiheit im Internet sieht, die zu „vorbeugender Zensur“ führen könnte. Falls der europäische Gerichtshof Polen bei dieser Klage Recht gibt, könnte entweder die ganze Richtlinie gekippt werden oder immerhin der für den Einsatz von Uploadfiltern verantwortliche Absatz in Artikel 17 gestrichen werden. Die einzelnen Mitgliedsstaaten können die vorgesehene Reform jedoch trotzdem noch freiwillig ins nationale Recht umsetzen. Im Schnitt benötigt der EUGH etwa 16-20 Monate bis zu einer Entscheidung. Also könnte Anfang 2021, und damit noch vor Ablauf der Frist für die Umsetzung der Reform in nationales Recht, bereits ein Ergebnis vom EUGH vorliegen. Deshalb ist es wichtig, ein Abwarten des Urteils zu fordern.
Gutachten des Bundestages:
Ende Januar wurde außerdem ein Gutachten des Bundestages öffentlich, dass die Rechtsmäßigkeit der EU-Urheberrechtsreform in einem weiteren Punkt in Frage stellt. Das Gutachten kritisiert, dass die Verpflichtung, sich nach besten Kräften um Lizenzen bemühen zu müssen, Anbieter dazu verpflichten würde, alle Benutzer-Uploads auf urheberrechtlich geschützte Inhalte zu überprüfen, was eine grundrechtswidrige allgemeine Überwachungspflicht darstellen würde.Dementsprechen kommen die Bundestagsjuristen zu dem Schluss, dass Artikel 13 bzw. jetzt Artikel 17 nicht mit den EU-Grundrechten vereinbar sei.
Stakeholder-Dialog:
Es gab bereits mehrere Treffen verschiedener Interessensvertreter mit der EU Kommission im Rahmen des Stakeholder-Dialogs, die aber leider bisher nicht zu Verbesserungen führten.
Umsetzung ins deutsche Recht:
Da es sich bei der Urheberrechtsreform um eine Richtlinie handelt, muss diese von allen Regierungen der Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Dazu haben diese noch etwas mehr als ein weiteres Jahr Zeit und zwar bis zum 7. Juni 2021. Die deutsche Bundesregierung hat zwar vor der finalen Abstimmung im Europaparlament vollmundig versprochen, die Richtlinie ohne Uploadfilter ins deutsche Recht umzusetzen; dass das jedoch möglich ist, ohne dabei gegen die Richtlinie der EU zu verstoßen, bezweifelt nicht nur die Piratenpartei, sondern auch viele Experten stark. Bis zum 6. September hatten Interessensvertreter Zeit, eine Stellungnahme für die Konsultation der Bundesregierung zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform ins nationale Recht an die Bundesregierung zu schicken. Dabei konnte man eigene Ideen und Vorschläge einbringen, wie man diese Reform umsetzen kann, so dass sie sowohl keine Uploadfilter beinhaltet, als auch nicht gegen die Reform verstößt. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Bundesregierung am Ende auf einen Vorschlag einigt, der den durch die Urheberrechtsreform verursachten Schaden so gut wie möglich begrenzt. Welche Schäden dabei noch verhindert werden können, hat Patrick Breyer hier zusammengestellt.
Was tun?
- Rede darüber! Erzähle anderen von den Gefahren der Urheberrechtsreform
- Informiere andere! Poste auf Deinen Social Media Accounts Beiträge über die Gefahren der Urheberrechtsreform! Teile diese Seite und Sharepics zur Urheberrechtsreform, die Du hier downloaden kannst.
- Unterzeichne die Petition! Über 5 Millionen Bürger haben schon die Petition auf change.org unterzeichnet. Schließ Dich diesen 5 Millionen an und unterzeichne damit eine der größten Online-Petitionen aller Zeiten!
- Wähle weise! Informiere Dich vor zukünftigen Wahlen und suche eine Partei, welche solche Eingriffe in die Grundrechte nicht mitmacht und für die das Internet kein Neuland, sondern Lebensraum ist!
- Werde PIRAT! Du bist digitaler Freiheitskämpfer oder hast kein Interesse, dass Uploadfilter oder andere Zensurmaßnahmen unsere Grundrechte einschränken? Dann schließe dich der der Piratenbewegung an und mache sie stärker im Kampf gegen Grundrechtseingriffe!
- Informiere Dich über TERREG! TERREG ist eine Verordnung der EU, die ebenfalls Uploadfilter vorschreiben könnte und sogar noch schlimmere Schäden verursachen würde, als die Urheberrechtsreform.
„Unser Kampf gegen Internetzensur und für Meinungsfreiheit im Zeitalter der Digitalen Revolution ist nicht gescheitert, er wurde aber auch nicht gewonnen – er muss daher weiter gehen. Wir wollen nicht in einer Welt leben, in der von Konzernen programmierte Algorithmen darüber entscheiden, was wir online noch sagen und lesen dürfen. Lasst uns deshalb auch dieses Jahr wieder für ein freies Internet kämpfen!“ Sebastian Alscher, Bundesvorsitzender der Piratenpartei
Weitere Informationen:
- YouTube-Video zum aktuellen Stand der Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform
- YouTube-Playlist mit interessanten Videos und Reden zur Urheberrechtsreform
- Übersichtsseite von Patrick Breyer: was bei der nationalen Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie noch erreicht werden kann
- savetheinternet.info
- immer auf dem aktuellen Stand bleiben 🙂
Hintergründe
Diese Maßnahmen drohen das Internet kaputtzumachen. Menschen werden schon im Alltag Schwierigkeiten bekommen, beispielsweise beim Diskutieren von Nachrichten oder beim Äußern ihrer Meinung im Netz. Unsere Freiheit zur Teilhabe einzuschränken, um den Sonderinteressen großer Medienkonzerne zu dienen, ist nicht akzeptabel!
Artikel 13: Upload-Filter
Unter dem Vorwand, Urheberrechtsverletzungen verhindern zu wollen, sollen Internet-Plattformen wie YouTube dazu gezwungen werden, von Benutzern hochgeladene Inhalte zu prüfen. Dies wird in der Regel durch automatisierte Upload-Filter geschehen. Das Problem: Diese Systeme haben sich bisher als extrem fehleranfällig erwiesen und werden in der Praxis überwiegend legitime und harmlose Werke wie Memes und Parodien blockieren. Kleine Anbieter und Startups werden sich außerdem eine Umsetzung nicht leisten können und werden dadurch benachteiligt. Im Ergebnis nutzen Upload-Filter wenig bis nichts, schränken aber die freie Meinungsäußerung stark ein.
Artikel 11: Leistungsschutzrecht
Mit dem Leistungsschutzrecht sollen Anbieter wie z.B. Google News dazu gezwungen werden, für die Verlinkung von Nachrichten Geld an die Verlage zu bezahlen. Das Problem: Eine Lizenzpflicht für die Verbreitung von Nachrichten wird keinen Beitrag zur Finanzierung des Journalismus leisten, sondern das Teilen professioneller Nachrichtenmeldungen verhindern und kleine Verleger, die am meisten auf das Teilen ihrer Artikel angewiesen sind, in ihrer Existenz bedrohen.
Artikel 12: Verlegerbeteiligung
Artikel 12 würde in Deutschland eine Beteiligung der Verleger an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften wieder einführen. Erst 2015 hatte der EuGH das als nicht rechtmäßig erklärt, 2016 wurde es dann vom BGH der VG Wort untersagt und 2017 der GEMA. Die Einnahmen aus den Werken stehen nach diesen Urteilen ausschließlich den Urhebern zu. Artikel 12 erreicht also genau das Gegenteil dessen, was Befürworter der Reform behaupten. Künstler werden nicht besser entlohnt, sondern schlechter.