Präambel
Wir PIRATEN stehen für eine zeitgemäße und gerechte Familienpolitik, die auf dem Prinzip der freiheitlichen Selbstbestimmung über Angelegenheiten des persönlichen Lebens beruht. Wir wollen, dass Politik der existierenden Vielfalt gerecht wird. Wir setzen uns dafür ein, die einseitige Bevorzugung traditioneller Rollen-, Familien- und Arbeitsmodelle zu überwinden. Echte Wahlfreiheit besteht erst, wenn längere berufliche Auszeiten oder Teilzeitarbeit unabhängig vom Geschlecht gesellschaftliche Normalität sind.
Freie Selbstbestimmung des Zusammenlebens
Wir PIRATEN bekennen uns zu allen denkbaren Formen des Zusammenlebens. Politik muss der Vielfalt der Lebensentwürfe gerecht werden und eine wirklich freie Entscheidung für die individuell gewünschte Form des Zusammenlebens ermöglichen. Eine ausschließlich historisch begründete Bevorzugung ausgewählter Familienmodelle lehnen wir ab. Wir setzen uns für die vollständige rechtliche Gleichstellung sämtlicher Lebensgemeinschaften ein.
Andere Lebenspartnerschaften
Wir PIRATEN setzen uns dafür ein, dass der Begriff „Ehe“ durch die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ ersetzt wird. Die auf der Ehe basierenden Rechten und Pflichten sind, sofern noch nicht geschehen, auf die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ zu übernehmen.
Des Weiteren wollen wir für alle Formen der homosexuellen, heterosexuellen und polyamourösen (Liebesbeziehung zu mehr als einem Menschen) Partnerschaften, die eingetragene Lebenspartnerschaft öffnen. Damit soll sie über ihren monogamen Anspruch hinaus auch das Zusammenleben von mehr als zwei Personen einer Generation rechtlich regeln.
Kinderwünsche auch in nicht klassischen Familienbildern realisieren
Wir PIRATEN setzen uns für die gleichwertige Anerkennung von Lebensmodellen ein, in denen Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Lebensgemeinschaften, in denen Kinder aufwachsen oder Menschen gepflegt werden, verdienen einen besonderen Schutz und Unterstützung durch den Staat und die Gesellschaft. Wir setzen uns für den Abbau bestehender, geschlechtlicher Rollenzuschreibungen und gesellschaftlicher Erwartungshaltungen ein. Der Wunsch, eine Lebens- bzw. Versorgungsgemeinschaft zu gründen, darf nicht am klassischen Familienbild hängen bleiben. Die geschlechtliche Identität oder die sexuelle Orientierung darf hierbei keine Rolle spielen.
Familienförderung dort, wo Kinder und anderweitig Bedürftige sind!
Personen, die einen Teil ihrer Lebenszeit der Betreuung von Kindern und Bedürftigen widmen, darf kein Nachteil entstehen. Wir PIRATEN setzen uns für eine ernsthafte politische Auseinandersetzung mit den Konzepten des Bedingungslosen Grundeinkommens ein. Wir fordern besondere finanzielle Unterstützung für Lebens- bzw. Versorgungsgemeinschaften, in denen Kinder aufwachsen oder betreuungsbedürftige Menschen gepflegt und versorgt werden.
Familienpolitisch halten wir die Realisierung eines Kindergrundeinkommens für kurzfristig umsetzbar. Schon heute zahlt der Staat bereits etwa 400 Euro je Kind an direkten, monatlichen Transferleistungen für Familien. Durch die einkommensabhängige Verteilung werden diese Zahlungen jedoch unterschiedlich verteilt. Das lehnen wir ab, da es unserem Verständnis von Chancengleichheit widerspricht. Jedes Kind hat einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung durch den Staat.
Das existierende Ehegattensplitting passt nicht in unser Familienbild und ist sukzessive abzuschaffen.
Kostenfreie und flexible Betreuungs- und Bildungsangebote
Betreuungs- und Bildungsangebote des Staates sind den Kindern kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Entsprechende Angebote sollen wohnort- oder wahlweise arbeitsplatznah realisiert werden – auch über kommunale Grenzen hinweg. Zu berücksichtigen sind bei allen Betreuungs- und Bildungsangeboten die sich ergebenden Bedarfsveränderungen der Eltern. Kinderbetreuung soll auch außerhalb der bislang üblichen Öffnungszeiten gewährleistet sein.
Geschlechtsunabhängige Gleichbehandlung bei Hilfsangeboten für Gewaltopfer durchsetzen
Wir PIRATEN setzen uns für den Auf- und Ausbau von geschlechtsunabhängigen Hilfsangeboten für Gewaltopfer durch das Bundesfamilienministerium ein. Dies gilt insbesondere für Opfer häuslicher Gewalt. Der aktuell starken Fokussierung von Hilfsangeboten für lediglich ein Geschlecht ist durch eine Quote entgegen zu wirken. Diese richtet sich nach den offiziellen Opferzahlen aus den Kriminalitätsstatistiken. Nur so ist sichergestellt, dass alle Gewaltopfer gleichfalls Hilfe erhalten. Als erstes Ziel muss das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ entsprechend des Hilfetelefongesetzes in seiner Außendarstellung ein Telefon sein, das sich an Menschen jeglichen Geschlechts richtet und sowohl faire als auch geschlechtssensible Hilfe anbietet. Um dies zu gewährleisten, setzen wir uns in einem ersten Schritt dafür ein, dass Anruferinnen und Anrufer das Geschlecht der betreuenden Person wählen können. Langfristig ist unser Ziel, dass die Hilfetelefone unsere Gesellschaft abbilden. Somit nicht nur Männer und Frauen, sondern auch trans* und intersexuelle Menschen, sprich das LGBTI-Spektrum, gleichfalls abgedeckt wird.
Kinder- und Jugendrechte stärken
Die Rechte von Kindern und Jugendlichen haben für uns den selben Stellenwert wie die von Erwachsenen. Unser Ziel ist die größtmögliche Freiheit und Partizipation von Kindern und Jugendlichen.
Kinder- und Jugendrechte ins Grundgesetz (GG)
Aktuell stehen die Menschenrechte des Kindes (UN-Menschenrechtskonvention über die Rechte des Kindes; kurz: UN-Kinderrechtskonvention) in Deutschland auf einer Ebene mit allen anderen Gesetzen. Das hat zur Folge, dass im Konfliktfall nicht die UN-Kinderrechtskonvention sondern das Gesetz Anwendung findet (Bsp.: Asylrecht, Gemeinderecht). Um die Rechte von Kindern und Jugendlichen aufzuwerten, fordern wir die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Kinderrechte sind Menschenrechte und müssen als solche geachtet werden.
Klagerecht von Kindern und Jugendlichen sowie rechtliche Beratung von jungen Erwachsenen
Die Möglichkeit von Kindern und Jugendlichen ohne Zustimmung eines Vormundes juristische Mittel einzusetzen soll erheblich vereinfacht werden. Insbesondere soll es ohne Probleme möglich sein, dass Kinder und Jugendliche sich auch ohne Zustimmung des Vormunds juristisch beraten und vertreten lassen. Hierfür sollen in allen Kommunen kostenfreie und unabhängige Beratungsstellen für Kinder und Jugendliche eingerichtet werden. Die Beratungsstellen sollten mindestens folgende Aufgaben übernehmen:
- Ombudschaft während des ganzen Verfahrens
Unterstützung bei:
- Beratung von Kindern, Jugendlichen sowie jungen Erwachsenen
- erster juristischer Einschätzung
- Vermittlung von Fachanwälten bzw. Notare
Akzeptanz der gesellschaftlichen Vielfalt
Interkulturelle Öffnung der Verwaltung
Um den Anforderungen einer vielfältigen Gesellschaft gerecht zu werden, setzen wir uns für die interkulturelle Öffnung der Verwaltung ein. Dies beinhaltet mehrsprachige Angebote in Formularen und auf Webseiten der Behörden sowie die Aus- und Weiterbildung von Bediensteten in interkultureller Kompetenz.
Diversität in der Verwaltung: Behörden gehen durch anonymisierte Bewerbungsverfahren mit gutem Beispiel voran
Damit Behörden auf die Interessen der Bevölkerung angemessen eingehen können, müssen sie die Diversität der Gesellschaft auch in ihren eigenen Reihen abbilden. Um dies zu erreichen, braucht es angemessene Bewerbungs- und Auswahlverfahren. Besondere Angebote für an Bewerbungen interessierte Menschen sollen Interesse und Selbstbewusstsein stärken und für mehr Bewerbungen aller gesellschaftlichen Gruppen sorgen. Wir PIRATEN fordern anonymisierte Bewerbungsverfahren in der Verwaltung, um möglicher Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Nationalität, Aussehen, Alter oder weiterer nicht-einstellungsrelevanter Merkmale vorzubeugen.
Für eine tolerante und erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik
Arbeitsmarktpolitik sollte sich daran orientieren, Menschen in ihren Fähigkeiten zu bestärken, Vielfältigkeit anzuerkennen und Diskriminierung abzubauen. So können die Ziele, sowohl den Arbeitsmarkt offen und fair für alle Teilnehmer zu gestalten als auch als Volkswirtschaft erfolgreich zu sein, erreicht werden.
Diskriminierung auf allen Ebenen begegnen
Noch immer werden viele Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder anderer äußerer Merkmale im alltäglichen Leben (z. B. bei der Vergabe von Wohnraum, Ausbildungs- und Arbeitsplätzen) benachteiligt. Gegen Diskriminierungen dieser Art sind gezielte Maßnahmen zu ergreifen. Statt einseitig bei Verhalten und Befähigungen der Benachteiligten anzusetzen, müssen diskriminierende Strukturen aufgedeckt, reflektiert und wirksam bekämpft werden.
Projektförderung
Die Förderung von Toleranz und der Kampf gegen Diskriminierung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Zur Unterstützung der beteiligten Gruppen sind ausreichende finanzielle Mittel bereit zu stellen. Den Versuch, Rassismus, Diskriminierung, Intoleranz und Rechtsextremismus mit verschiedenen Formen politischen Protests gleichzusetzen, lehnen wir ab. Die Extremismusklausel stellt einen staatlichen Generalverdacht gegen zivilgesellschaftliches Engagement dar und gehört umgehend abgeschafft.
Nachvollziehbare und verantwortliche Erstellung von Studien
Studien, die im Zusammenhang mit der Diversität der Gesellschaft erstellt werden, sollen grundsätzlich nachvollziehbar und transparent und unter Hinzunahme von externer Expertise aus Forschung und Wissenschaft erarbeitet und zeitnah veröffentlicht werden.
Chancengleichheit im Bildungssystem
Wir PIRATEN setzen uns für mehr Chancengleichheit ein: Die sozio-kulturelle Herkunft darf nicht mehr über den Bildungserfolg entscheiden.
Chancengleichheit durch gemeinsames Lernen
Um Chancengleichheit zu erreichen, setzen wir uns für ein gemeinsames Lernen von Kindern mit verschiedenem sozialen Hintergrund ein. Den unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergründen der Lernenden soll mit Achtung begegnet werden. Mehrsprachigkeit ist ein Wert, den es zu fördern gilt. Wir begrüßen muttersprachlichen Unterricht zur Festigung der Muttersprache und zum leichteren Erwerb des Deutschen. Dies darf jedoch nicht mit Selektion der Lernenden in verschiedenen Klassen anhand von Sprache und Herkunft einhergehen. Der muttersprachliche Unterricht sollte bestehende Sprachfähigkeiten zertifizieren und somit als Qualifikation wertschätzen. Die Didaktik von „Deutsch als Zweitsprache“ soll stärker in die Lehrerausbildung und die Fortbildungen eingehen.
Lehrkräfte fördern und sensibilisieren
Es gehört zu gelungener Inklusion, wenn auch Migrantinnen und Migranten als Lehrkräfte tätig sind. Dies hilft Kindern ohne Migrationshintergrund, Migranten zu respektieren, und Kindern mit Migrationshintergrund, sich die Lehrkräfte als Vorbild zu nehmen. Wir schlagen die Vergabe von Stipendien für Lehramtsstudentinnen und -studenten mit Migrationshintergrund vor, um diese zum Lehramtsstudium zu ermutigen und sie zu fördern. Lehrkräfte müssen in ihrer Aus- und Weiterbildung sensibilisiert werden, wie sich Selektionsmechanismen auswirken. Ihnen sollte beispielsweise vermittelt werden, wie sich ihre eigene Herkunft, Bildung und gesellschaftliche Positionierung unbeabsichtigt auf ihren Unterricht und ihre Leistungsbewertungen auswirkt.