Eine Einschätzung zu den Spannungen am Golf von Schoresch Davoodi, Mitglied der AG Außenpolitik.

Der Iran hat am 20. Juli einen unter britischer Flagge fahrenden Tanker in den Gewässern des Omans festgesetzt und in Richtung iranische Gewässer gebracht. Die Besatzung des Tankers kommt aus Indien, Russland und den Philippinen und war für eine schwedische Reederei unterwegs.

Der Vorfall steht wohl in Verbindung mit dem von Großbritannien am 4. Juli festgesetzten iranischen Tanker, welcher die Straße von Gibraltar durchquert hatte. Großbritannien begründet die Festsetzung damit, dass die EU seit 2011 Öllieferungen nach Syrien unter Strafe stellt. Der Kapitän und die Besatzung des iranischen Schiffes, welche indische Staatsbürger sind, wurden von Großbritannien am 11. Juli festgenommen.

Parallel gab es am 19. Juli eine Meldung, dass Irans Außenminister Sarif, welcher aktuell die UN besucht, geheime Verhandlungen mit den USA führen soll. Diese sollen mit den erhöhten Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran in Verbindung stehen. Beide Seiten seien daran interessiert, die Krise zwischen den Ländern zu deeskalieren.

Die Rolle Indiens in dem Konflikt

Da nun in beiden Fällen indische Staatsbürger von den Festnahmen betroffen sind, wird Indien als aufstrebende Großmacht zwangsläufig Vermittler im Konflikt zwischen den USA und dem Iran. Neben dem starken Interesse Indiens an den Energieressourcen des Irans für seine eigene aufstrebende Wirtschaft stellt der Iran aus indischer Perspektive auch ein Gegengewicht zum Rivalen Pakistan in der Region dar.

Historische und politische Einordnung

Der Iran hatte schon nach dem Abzug der Sowjetunion aus Afghanistan, weit vor dem 11. September 2001, die damalige Nordallianz gegen die von Pakistan aufgebauten Taliban unterstützt.
Nach der Ermordung iranischer Diplomaten durch die Taliban beim Fall von Mazar-i-Sharif, der damaligen Hauptstadt der Nordallianz, am 11. September 1998 war der Iran bereit, militärisch gegen die Taliban in Afghanistan zu intervenieren. Indien befindet sich nun durch die Politik von Donald Trump und seine Nähe zum sunnitischen Saudi-Arabien in einem außenpolitischen Dilemma. So will man eigentlich den Konflikt mit den USA vermeiden, doch Saudi-Arabien ist auch seit langem ein Unterstützer der pakistanischen Ambitionen in der Region, welche spätestens seit der sowjetischen Invasion in Afghanistan begannen. Seitdem ist Indien daran interessiert, im schiitischen Iran ein Gegengewicht zum sunnitisch dominierten Block aus Pakistan und Saudi-Arabien und seinen Verbündeten zu erhalten.

Trumps Dilemma

Das große wirtschaftliche Gewicht Indiens und seine immer wichtiger werdende Rolle auf der Weltbühne können auch die USA unter Donald Trump nicht ignorieren. Der Handelskrieg zwischen China und den USA, den Trump ausgelöst hat, lässt den großen indischen Markt für die USA nun um so wichtiger werden.
Das iranische Kalkül wird sein, dass Indien als starker und doch für den Iran verlässlicher Vermittler und Akteur nun, bedingt durch die Krise, sein Gewicht in den Konflikt einbringt. Der Iran hofft, im größeren geopolitischen Umfeld, in welchem die längerfristigen Ziele beider Staaten sehr ähnlich sind, nun mehr Verhandlungsmasse gegenüber den USA zu besitzen.

Donald Trump steht jetzt vor einem außenpolitischen Dilemma, weil er abzuwägen hat, welchem seiner beiden außenpolitischen Ziele er, auch im Hinblick des von ihm eröffneten Wahlkampfs, die Priorität geben will.

Die iranische Strategie

Der Iran spekuliert darauf, dass die USA Indien als ökonomische Alternative mehr brauchen werden als Indien die USA im Gegenzug, je weiter der Handelskonflikt eskaliert. Donald Trump wird auch, je näher der Wahltag rückt, unter Zugzwang sein, sollte sich durch weitere Krisen am Golf die Weltwirtschaft in Turbulenzen befinden.
Die hybride Strategie des Irans, Indien an seiner Seite zu wissen, wenn auch ’nur als Vermittler‘, ermöglicht dem Land neue Chancen in dem Konflikt. Die Vereinigten Staaten, die durch eine Eskalation des Handelsstreits mit China auf Indien als alternativen Wirtschaftspartner stärker angewiesen wären, können es sich daher nicht leisten, die indischen Interessen zu ignorieren.Dadurch profitiert der Iran politisch und wirtschaftlich, da Indiens und Irans geopolitische Interessen in der Region sehr ähnlich sind.
Zuleich bietet er den Amerikanern an, in diesem Konflikt das Gesicht zu wahren. Der Nutzen, Indien als Partner gegen China zu gewinnen, würde die US-Regierung zu einer Entscheidung zwingen. Dabei würden die politischen Kosten für die Trump Administration in der Region sein, dass sich die USA gegen die bisherige Allianz aus Saudi-Arabien und Pakistan entscheiden müssten. Durch die Aufgabe ihrer bisherigen Partner wären sie geschwächt, während der Iran und Indien eben einen Keil zwischen die USA und diese bisherigen Partner getrieben hätte.

Dazu passt auch die Meldung, dass es wohl entgegen der Ankündigung des religiösen Oberhaupts Ali Chamene’i nun nach den beiden Vorfällen mit den Tankern anscheinend doch geheime Verhandlungen geben soll. Noch im Juni 2019 hatte Chamene’i als direkte Reaktion auf Gesprächsangebote der USA für neue Verhandlungen diese kategorisch ausgeschlossen.

Zur Erinnerung:
Den öffentlichen Verhandlungen, welche am Ende zum Iran-Deal zwischen den Vereinigten Staaten und den anderen ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates und Deutschland mit dem Iran führten, gingen ebenfalls geheime Verhandlungen im Oman ein Jahr vorher voraus.