Nachdem der isländische Premierminister wegen einer nicht deklarierten Briefkastenfirma durch seinen Stellvertreter ersetzt worden ist, erwarten die Abgeordneten der isländischen Piratenpartei weitere Demonstrationen in den nächsten Tagen.
Birgitta Jónsdóttir, Vorsitzende der Piratenpartei Island:
„Viele Menschen hier in Island haben das Gefühl, dass die Koalitionsparteien nicht annähernd genug getan haben, um Verantwortung für ihren unethischen Missbrauch des Vertrauens der Bürger zu übernehmen. Die Opposition wird ein neues Misstrauensvotum beantragen, sobald die neue Regierung zusammentritt. Das Misstrauensvotum wird morgen (Freitag) um 13 Uhr debattiert werden.
Nach Enthüllung der Panama-Papers fordern die Bürger Islands Neuwahlen. Vor zwei Tagen fand die bisher größte Demonstration Islands statt, auf der diese Forderung weithin erhoben wurde. Eine bloße Kabinettsumbildung löst kein Problem. Die Menschen fordern keinen neuen Premierminister derselben Partei. Schon bei der Finanzkrise 2008 war der Premierminister weise genug zuzuhören, bis seine Regierung vor den immer stärker werdenden Protesten Angst bekam und unehrenhaft zurücktrat.“
Zu den hohen Umfragewerten der isländischen Piratenpartei erklärt Birgitta Jónsdóttir:
„Das isländische Volk vertraut uns, weil unsere Partei nicht an den bisherigen Regierungen beteiligt war. Wir glauben, die Menschen spüren, dass wir für systemverändernde Veränderungen stehen und nicht nur für kleine Änderungen, die leicht rückgängig zu machen wären. Unsere Positionen unterscheiden sich daher eindeutig von einem scheinbar wiederkehrenden Muster moderner Politik: kleine Veränderungen, aber immer dasselbe dysfunktionale System. Wir betrachten uns weder als links noch als rechts, sondern als Partei, die sich mit den Systemen beschäftigt. Mit anderen Worten: Wir betrachten uns sozusagen als Hacker unserer bisherigen überholten Regierungssysteme.“
Interessant ist auch die Betrachtungsweise, sich nicht als „Internetpartei“ zu verstehen, sondern als gesellschaftspolitische Alternative. Siehe hierzu nachfolgenden Beitrag:
http://www.deutschlandfunk.de/proteste-gegen-islaendische-regierung-als-haette-man-einen.795.de.html?dram:article_id=351261
Dabei haben die Isländer Piraten erkannt, dass es für die Partei einerseits und für die Gesellschaft andererseits gleichermaßen wichtig ist, die angestrebten politischen Veränderungen gleich auf einer neuen Verfassung aufzubauen. Denn ohne ein passendes Fundament und einem darauf neu entstehenden Regelwerk können Veränderungen, wie wir sie alle im Fokus haben, nicht einmal ansatzweise parteipolitisch umgesetzt werden. Wer also einen neuen Gesellschaftsvertrag will, wird nicht nur über „A“, sondern auch über „B“ nachdenken müssen.