Der Entwurf des Innenaussschusses (LIBE) zur Terror Content Regulation, kurz TERREG hat am Mittwoch in erster Lesung das Europäische Parlament durchlaufen.

Dr. Patrick Breyer, Jurist und Spitzenkandidat der Piratenpartei zur Europawahl, sieht die Meinungsfreiheit im Internet bedroht:

„Die nationalen Internet-Zensurbehörden sollen zwar nominell unabhängig sein, aber es gibt dafür keinerlei Garantien, gerade in autoritär regierten Staaten wie Ungarn oder Polen. Dieses Instrument droht politisch missbraucht zu werden. Es gibt nicht einmal einen Richtervorbehalt für Sperranordnungen. Internetzensur ist der falsche Weg, um gewaltbereitem Extremismus zu begegnen. Wenn man sich über terroristische Gruppierungen nicht mehr im öffentlichen Netz informieren kann, werden Sympathisanten sich bei ihnen registrieren müssen und geraten so in noch größere Gefahr der Vereinnahmung und Radikalisierung.“

Artikel 4 des Entwurfes verpflichtet Dienstanbieter, Löschanordnungen innerhalb einer Stunde nachzukommen, andernfalls kann bei systematischen Verstößen ein Bußgeld in Höhe von bis zu 4 % des weltweiten Jahresumsatzes verhängt werden.

„Der Entwurf ignoriert vollständig, dass eine solche Vorgehensweise für kleine bis mittlere Internetdienste nicht zu leisten sein wird. Hier werden Wunschvorstellungen in der Verfolgung von Verstößen geäußert und vollkommen unreflektiert und ohne Expertenrat in den Entwurf übernommen. Eine Löschanordnug innerhalb von 60 Minuten würde einen unangemessen hohen Aufwand bei vielen dieser Unternehmen verursachen und in der Sache – man stelle sich beispielsweise die Übertragung eines Anschlags wie in Christchurch vor – nicht wirklich die gewünschten Ziele erreichen,“

kommentiert Sebastian Alscher, Bundesvorsitzender der Piratenpartei.

Im Einzelnen kritisieren die Piraten:

1. Viele Internetdienste müssten den Betrieb einstellen:
Die EU-Zensurverordnung erfasst nahezu alle Internetdienste, beispielsweise Blogs mit Kommentarfunktion, Meinungsforen, Wikipedia, Filesharing-Dienste, Software-Entwicklungsportale oder Nachrichtenportale mit Kommentarfunktion – selbst wenn noch nie terroristische Inhalte dort veröffentlicht wurden. Durch die Verordnung droht einer Vielzahl von Internetdiensten das Aus, weil deren Anbieter die geforderte Löschung von Inhalten binnen einer Stunde – selbst zur Nachtzeit – nicht gewährleisten können und sich hohen Strafen ausgesetzt sehen.

2. Fehlende Anforderungen an die Unabhängigkeit der Zensurbehörden:
Es gibt keinen Richtervorbehalt für Sperranordnungen.

3. Untaugliche Internetsperren durch Geoblocking:
Es ist anzunehmen, dass Anbieter einfache Techniken zur Geolocation einsetzen werden, weil sie „terroristische Inhalte“ nicht löschen, sondern nur für Nutzer aus der EU sperren müssen. Eine solche Sperre lässt sich jedoch technisch leicht umgehen. Die Verbreitung terroristischer Propaganda wird somit de facto nicht verhindert.