TERREG-Verordnung

Aktuell verhandelt die EU die geplante TERREG-Verordnung, die das Ziel hat, die Verbreitung terroristischer Inhalte im Internet zu verhindern – und das, wenn es nach Kommission und Regierungen geht, mit Uploadfiltern und grenzüberschreitenden Schnell-Löschanordnungen. Die laufenden Trilog-Verhandlungen sind die letzte Chance, Änderungen vorzunehmen, bevor die Verordnung verabschiedet wird.

„Die TERREG-Verordnung könnte dem freien und offenen Internet massiven Schaden hinzufügen und unsere Grundrechte einschränken, ohne dabei die erhoffte Wirkung zu erzielen. Mit der verpflichtenden Einführung von Uploadfiltern würde der Grundstein für eine leicht zu missbrauchende, fehleranfällige und noch dazu ineffektive Zensurinfrastruktur gelegt werden. Die grenzüberschreitenden Schnell-Löschanordnungen könnten Einzelpersonen oder kleine Organisationen, die eine 24-Stunden-Erreichbarkeit nicht leisten können, zur Schließung von Internetportalen zwingen. Deshalb ist es so wichtig, dass Kommission und EU-Regierungen im Rat massiven Widerstand erfahren. Nur zusammen und mit genügend öffentlicher und medialer Aufmerksamkeit können wir es schaffen, das Schlimmste zu verhindern! Dabei kann jeder einzelne helfen, auch Du!“ Dr. Patrick Breyer, Bürgerrechtler und Europaabgeordneter der Piratenpartei

11 Gründe, warum Du Dich gegen die TERREG-Verordnung wehren solltest

[accordion] [accordion-tab title=“1. Internetdienste müssten den Betrieb einstellen“ color=“first“] Die TERREG-Verordnung betrifft alle Internetdienste, bei denen Nutzer eigene Beiträge veröffentlichen können, wie beispielsweise Blogs mit Kommentarfunktion, Meinungsforen, Wikipedia, Filesharing-Dienste, Software-Entwicklungsportale oder Nachrichtenportale mit Kommentarfunktion. Durch die Verordnung droht einer Vielzahl von Internetdiensten das Aus, weil deren Anbieter den geforderten Einsatz von Upload-Filtern oder die geforderte Löschung von Inhalten binnen einer Stunde – selbst zur Nachtzeit und am Wochenende und unabhängig von der Größe des Webseitenbetreibers – nicht gewährleisten bzw. sich finanziell nicht leisten können.
[/accordion-tab][accordion-tab title=“2. Fehleranfällige Upload-Filter würden Meinungsfreiheit sowie freie Medienberichterstattung über Terrorismus einschränken“ color=“first“] Internetanbieter sollen verpflichtet werden, „proaktive Maßnahmen“ zu ergreifen, um das erneute Hochladen von zuvor entfernten Inhalten zu verhindern und um mutmaßliche terroristische Inhalte aufzufinden und zu sperren, ohne dass eine menschliche Überprüfung vor der Sperre erfolgen muss. Solche Upload-Filter sind Zensurmaschinen, die nachweislich massenhaft völlig legale Inhalt unterdrücken (zum Beispiel Dokumentationen von Menschenrechtsverletzungen in Bürgerkriegen). Filter können terroristische Propaganda nicht von Presseberichten, Kunst, Forschung, öffentlicher Aufklärung oder Kritik an Terrorismus unterscheiden. Selbst ein Filter mit einer extrem hohen Genauigkeitsrate von nahezu 99% würde mehr legale als illegale Inhalte löschen, da terroristisches Material im Vergleich zur Gesamtzahl der Uploads extrem selten ist. Selbst bei identischem Inhalt (z.B. einem Bild) hängt die Einstufung als illegaler “terroristischer Inhalt” von der Absicht des Veröffentlichenden ab (z.B. Medienberichterstattung, Bewusstseinsbildung, Terrorismusforschung, Terrorismuskritik). Unsere Meinungs- und Informationsfreiheit darf nicht von fehleranfälligen und intransparenten Algorithmen bestimmt werden. Eine pro-forma-Überprüfung durch unterqualifizierte, gehetzte und prekär beschäftigte Klickarbeiter der Internetkonzerne ersetzt keine qualifizierte Prüfung durch öffentliche Behörden.
[/accordion-tab][accordion-tab title=“3. Willkürlicher Zensur durch Privatpolizei in Form der Tech-Industrie wird gefördert“ color=“first“] Das Verfahren für Sperranordnungen soll durch behördliche „Hinweise“ an Provider umgangen werden können. Unsere Meinungs- und Informationsfreiheit darf jedoch nicht in die Hände privater Internetkonzerne gelegt werden, die oft vollkommen willkürlich Inhalte löschen, dies muss zum Schutz der Meinungsfreiheit verboten werden. Terroristische Inhalte sollten eine öffentliche Angelegenheit sein und keine Sache privater Nutzungsbedingungen. Eine Privatpolizei und private Rechtsdurchsetzung durch die Tech-Industrie ist nicht demokratisch legitimiert, nicht unabhängig, intransparent und nicht von der Justiz kontrolliert. Zwangs-AGB belasten zudem kleine Anbieter, da viele von ihnen bisher keinerlei Nutzungsbedingungen verwenden (z.B. WordPress-Nutzer). Wo Website-Betreiber weltweit identische Bedingungen verwenden, könnte die Erzwingung von Änderungen außerdem eine globale Wirkung weit über die EU hinaus haben. Würden wir wollen, dass chinesische oder türkische Zwangs-AGB auch für uns gelten?
[/accordion-tab][accordion-tab title=“4. Internetsperren durch Geoblocking verhindern nicht die Verbreitung terroristischer Inhalte“ color=“first“] Es ist anzunehmen, dass einige Anbieter einfache Techniken zur Geolocation einsetzen werden, weil sie „terroristische Inhalte“ nicht weltweit löschen, sondern nur für Nutzer aus der EU sperren müssen. Eine solche Sperre lässt sich jedoch technisch leicht umgehen. Die Verbreitung terroristischer Propaganda wird somit de facto nicht verhindert. Trotzdem würden eher weniger technikversierte Menschen vor dem Problem stehen, dass sie als EU-Nutzer durch Geoblocking von Internetdiensten ausgeschlossen werden, die sie benötigen.
[/accordion-tab][accordion-tab title=“5. Uploadfilter könnten zum Standard werden“ color=“first“] Aktuell ist zu befürchten, dass Uploadfilter von vielen Politikern als Allheilmittel für alle möglichen Probleme im Internet angesehen werden und deshalb in immer mehr Gesetzesvorschläge auftauchen werden. Dafür wurde mit den gesetzlich geforderten Uploadfilter durch die EU-Urheberrechtsreform der Grundstein gelegt. Wenn durch die TERREG-Verordnung erneut Webseitenbetreibern der Einsatz von Uploadfiltern vorgeschrieben wird, wird auf diese Weise eine Zensurinfrastruktur geschaffen, die in absehbarer Zeit über Terrorismus hinaus ausgeweitet werden wird. Denn der kommende “Digital Services Act” würde die durchgesetzten Uploadfilter voraussichtlich zur Suche und Filterung nach jeglichem illegalen Material vorschreiben. Damit würde eine obligatorische Uploadfilterung zur Standardanforderung für alle Internetanbieter werden.
[/accordion-tab][accordion-tab title=“6. Populistische und autoritäre Regierungen können europaweit Inhalte löschen lassen“ color=“first“] Da die Löschanordnungen grenzüberschreitend innerhalb der EU möglich sein werden, könnten Inhalte europaweit auch auf Anordnung von Mitgliedstaaten mit populistischen und autoritären Regierungen gelöscht werden. Damit könnte beispielsweise Ungarn, das die Rechtsstaatlichkeit nicht respektiert, Inhalte in Deutschland löschen lassen, die hierzulande als freie Meinungsäußerung geschützt sind. In der EU besteht noch nicht einmal Konsens darüber, was überhaupt als „terroristische Gruppe“ einzuordnen ist. In der Vergangenheit hat beispielsweise Ungarn Umweltaktivisten als “Ökoterroristen” bezeichnet und Frankreich und Spanien haben die Antiterrorismusgesetze auf soziale Proteste bzw. gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung angewandt. Da die EU-Behörden die Entfernung von Inhalten mit globaler Wirkung anordnen können sollen, könnte dies dazu führen, dass auch andere Staaten wie die Türkei, Russland, Saudi-Arabien oder China ihrerseits die weltweite Entfernung von Inhalten verlangen, die aber in Europa bzw. in Deutschland völlig legal und legitim sind.
[/accordion-tab][accordion-tab title=“7. Europäische Internet-Startups werden massive Wettbewerbsnachteile haben, Innovation in Europa stirbt“ color=“first“] Verpflichtende Uploadfilter garantieren, dass es nie eine europäische Alternative zu den großen sozialen Netzwerken und den sonstigen großen Internetplattformen geben wird. Die wenigen US-Giganten, die in der Lage sind, die erforderlichen Riesensummen in Uploadfilter zu investieren und rund um die Uhr innerhalb einer Stunde zu reagieren, können dadurch ihre Marktdominanz weiter stärken. Währenddessen werden europäische Internet-Startups durch die TERREG-Verordnung massive Wettbewerbsnachteile erleiden.
[/accordion-tab][accordion-tab title=“8. Behörden, die Entfernungen von Inhalten anordnen dürfen, müssen nicht unabhängig sein“ color=“first“] Die Behörden, die Sperrungen „terroristischer Inhalte“ anordnen sollen, müssen laut EU-Vorschlag nicht unabhängig sein. Es gibt auch keinen Richtervorbehalt für Sperranordnungen. Damit könnten nicht nur einzelne Minister aus politischen Gründen die Entfernung von Inhalten anordnen, sondern es könnte auch unsere Meinungs- und Informationsfreiheit beispielsweise in die Hand des ungarischen Innenministeriums oder eines örtlichen Polizeibeamten in Rumänien gelegt werden. Das ist inakzeptabel. Die Entfernung von Inhalten anzuordnen, muss einer unabhängigen Behörde wie einem Gericht, einem Beauftragten für Meinungsfreiheit oder einem Bürgeranwalt vorbehalten bleiben.
[/accordion-tab][accordion-tab title=“9. Transparenz und Kontrolle bei der Sperrungen von Inhalten fehlt“ color=“first“] Eine unabhängige Überprüfung von Sperrungen ist nicht gewährleistet. Der Autor eines Inhalts soll von der Sperrung nicht benachrichtigt werden müssen, selbst wenn er Kontaktdaten hinterlassen hat. Wir fordern, dass der Autor informiert wird und nicht nur er, sondern auch jeder andere Bürger, dem Informationen vorenthalten werden, zur Anfechtung von Sperrungen berechtigt ist. Nur so können sich beispielsweise Nichtregierungsorganisationen für Meinungsfreiheit im Netz und gegen ungerechtfertigte Unterdrückung von Informationen einsetzen.
[/accordion-tab][accordion-tab title=“10. Ein „rein europäisches Internet“ droht zu entstehen“ color=“first“] Anstatt eine internationale Verständigung auf universell geächtete Inhalte herbeizuführen, soll ein europäisches Regionalnetz mit Netzsperren für Inhalte, die zum Beispiel in den USA völlig legal abrufbar bleiben, geschaffen werden. Das widerspricht dem Grundgedanken eines weltweiten Netzes.
[/accordion-tab][accordion-tab title=“11. Trolle können gezielt Webseiten schließen lassen“ color=“first“] Trolle könnten dank der TERREG-Verordnung die Behörden auf jegliche Webseitenbetreiber ansetzen, indem sie wiederholt terroristische Inhalte auf deren Webseiten veröffentlichen. Wenn es sich dabei um Webseiten von Einzelpersonen, gemeinnützigen Organisationen oder Start-ups handelt, die den Löschanordnungen nicht rund um die Uhr innerhalb von einer Stunde nachkommen können, würde das Strafen und Möglicherweise die Einstellung der Dienste zu Folge haben.
[/accordion-tab] [/accordion]

Was tun?

  • Rede darüber! Erzähle anderen von den Gefahren der TERREG-Verordnung.
  • Informiere andere! Poste auf Deinen Social Media Accounts Beiträge über die Gefahren der TERREG-Verordnung! Teile diese Seite und Sharepics zur TERREG-Verordnung, die Du hier downloaden kannst.
  • Druck auf Verantwortliche erhöhen! Wende dich dafür an die ständigen Vertretungen der Regierungen (Ansprechpartner der ständige Vertretung Deutschlands bei der EU: info@bruessel-eu.diplo.de, Tel. +32-27871000, Fax +32-27872000) oder an das Innenministerium via Email oder Telefon (Ansprechpartner: Bundesinnenminister Seehofer unter poststelle@bmi.bund.de, Bundesjustizministerin Lambrecht unter poststelle@bmjv.bund.de).
  • Wähle weise! Informiere Dich vor zukünftigen Wahlen und suche eine Partei, welche solche Eingriffe in die Grundrechte nicht mitmacht und für die das Internet kein Neuland, sondern Lebensraum ist!
  • Werde PIRAT! Du bist digitaler Freiheitskämpfer oder hast kein Interesse, dass Uploadfilter oder andere Zensurmaßnahmen unsere Grundrechte einschränken? Dann schließe dich der Piratenbewegung an und mache sie stärker im Kampf gegen Grundrechtseingriffe!

„Unser Kampf gegen Internetzensur und für Meinungsfreiheit muss weitergehen! Wir wollen nicht in einer Welt leben, in der willkürlich darüber entschieden wird, was wir online noch sagen und lesen dürfen. Auch die Nutzung intransparenter und noch dazu fehleranfälligen Algorithmen kann nur zu einer Einschränkung unserer Möglichkeiten der Meinungsäußerung führen. Lasst uns deshalb auch dieses Jahr wieder für ein freies Internet kämpfen und gemeinsam die Pläne von Kommission und Rat für die TERREG-Verordnung verhindern!“ Sebastian Alscher, Bundesvorsitzender der Piratenpartei

Hintergründe

Diese Maßnahmen drohen dem freien und offenen Internet massiven Schaden zuzufügen, unsere Grundrechte einzuschränken und europäische Internet-Startups massive Wettbewerbsnachteile zu bescheren. All diese Einschränkungen und Schäden, obwohl die TERREG-Reform nicht den erhofften Nutzen bringen wird, ist nicht akzeptabel!

Artikel 6: Uploadfilter

Mit dem Ziel, die Verbreitung terroristischer Inhalte im Internet verhindern zu wollen, sollen nicht nur Internetplattformen wie YouTube, sondern alle Webseiten, auf denen Nutzer eigene Inhalte veröffentlichen können, „proaktive Maßnahmen“ ergreifen müssen. Dies wird in der Regel durch automatisierte Uploadfilter geschehen. Das Problem: Diese Systeme haben sich bisher als extrem fehleranfällig erwiesen und werden in der Praxis überwiegend legitime und harmlose Werke wie journalistische Berichte über Terrorismus blockieren. Kleine Anbieter und Startups werden sich außerdem eine Umsetzung nicht leisten können und werden dadurch benachteiligt. Auch Einzelpersonen oder kleine Organisationen können sich keine Uploadfilter für ihre eigenen Webseiten leisten. Im Ergebnis nutzen Uploadfilter wenig bis nichts, schränken aber das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die freie Medienberichterstattung über Terrorismus stark ein und schaffen zusätzlich eine Zensurinfrastruktur, die in absehbarer Zeit über Terrorismus hinaus ausgeweitet wird und leicht missbraucht werden kann.

Artikel 4: Grenzüberschreitende Schnell-Löschanordnungen

Artikel 4 der geplanten TERREG-Verordnung sieht vor, dass Dienstanbieter „terroristische Inhalte“ innerhalb von 1 Stunde nach Erhalt einer Löschanordnung entfernen müssen – und das selbst nachts und am Wochenende und unabhängig von der Größe des Hosting-Service-Providers. Das droht nicht-kommerzielle Angebote wie beispielsweise von Privatpersonen oder gemeinnützigen Organisationen, aber auch kleine Unternehmen oder Start-Ups in die Knie zu zwingen. Sehr problematisch ist außerdem, dass alle Mitgliedsstaaten, also auch die mit populistischen oder autoritären Regimen, europaweit die Löschung von aus ihrer Sicht terroristischen Inhalten anordnen können. So könnten auch einzelne Minister diese Möglichkeit missbrauchen und Inhalte aus politischen Gründen löschen lassen. Insgesamt schränken also auch die grenzüberschreitenden Schnell-Löschanordnungen nicht nur das Recht auf freie Meinungsäußerung und die freie Medienberichterstattung über Terrorismus ein, sondern könnte auch viele nicht-kommerzielle Internetangebote zum Schließen zwingen.

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