Ein Debattenbeitrag zu dem Gastartikel von Nasrin Amirsedghi
„Deutschland braucht eine kontrollierte, bedarfsorientierte Zuwanderungspolitik – keine Quantität ohne Qualität”
Der Beitrag von Nasrin Amirsedghi hat, um es milde auszudrücken, Aufregung verursacht. Um sachlich an diesen Beitrag heranzugehen, brauchen wir zunächst eine Begriffsklärung:
Die genaue Definition der Migration unterscheidet sich von Fachrichtung zu Fachrichtung. Um einmal den entsprechenden Wikipedia-Artikel zu zitieren:
“Als Migration wird eine auf Dauer angelegte räumliche Veränderung des Lebensmittelpunktes einer oder mehrerer Personen verstanden. Migration über Landesgrenzen hinweg wird als internationale Migration bezeichnet. Migration innerhalb einer Region oder eines Staates wird Binnenmigration genannt. Als Gegenstand von Forschung und praktischer Begleitung ist Migration in einer Reihe wissenschaftlicher Fachrichtungen vertreten, darunter den Gesellschaftswissenschaften, den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Daraus ergibt sich eine Vielzahl von Sichtweisen und begrifflichen Unterscheidungen, sodass der Fachliteratur eine einheitliche Definition nicht zu entnehmen ist.“
“Asyl ist ein Sonderfall der Migration, da es sich spezifisch auf den Schutz vor Verfolgung im Herkunftsland bezieht (politische Überzeugung, Rasse, Religion, etc.) und durch völkerrechtliche Abkommen wie die Genfer Flüchtlingskonvention geschützt ist, während allgemeine Migration oft ökonomische oder soziale Gründe hat und staatlich gesteuert wird, was Asylrecht und Einwanderungsrecht trennt. Während Migranten oft aus freien Stücken bessere Chancen suchen, sind Asylsuchende gezwungen zu fliehen, und ihr Recht auf Schutz ist unabhängig von Ausbildung oder Job, aber ausgeschlossen bei Notsituationen wie Armut oder Bürgerkrieg, die nicht gezielte Verfolgung darstellen.“[1]
Migration wird in diesem Beitrag hauptsächlich im Sinne von “Einwanderung” gebraucht. Das ist schwierig, weil der Begriff in der gesellschaftlichen Debatte nun synonym ist für Einwanderung, Flucht und Asyl.
Wir denken, dass niemand ein Problem damit hat, wenn Menschen, nach Deutschland einwandern möchten, um hier zu leben und Ihren Lebensunterhalt auch zu bestreiten. Dafür müssen entsprechende Nachweise erbracht werden. Dabei wird zwischen EU und nicht EU Bürgern unterschieden. Genauso müssen wir Deutschen, wenn wir in ein anderes Land außerhalb der EU einwandern möchten, die entsprechenden Unterlagen und Nachweise vorlegen, beispielsweise als Einwanderer nach Paraguay. Dort habe ich, Astrid, insgesamt neun Jahre als Einwanderer gelebt und musste so einiges vorlegen von einem polizeilichen Führungszeugnis über meine Ausbildungsnachweise bis hin zu einem Gesundheitszeugnis. Es war noch einiges mehr, aber das sollte reichen, um dem geneigten Leser eine Vorstellung davon zu vermitteln, was ich meine.
Auch das Anliegen, möglichst gut qualifizierte Menschen in Deutschland einwandern zu lassen und weniger gut (bzw. schlecht) qualifizierte Menschen eben nicht einwandern zu lassen, ist durchaus legitim. Leider bleibt uns die Autorin dieses Essays Zahlen schuldig; es wäre an dieser Stelle interessant, zu wissen, wie viele Menschen pro Jahr nach Deutschland kommen, um hier einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Auch sehen wir nicht, dass Überlegungen innerhalb unserer Gesellschaft angestellt werden, wie man diese Einwanderer dazu bewegen möchte, nach Deutschland zu kommen. Das sind Menschen, um die wir werben müssen, denn sie haben durchaus Alternativen. Was soll gut ausgebildete Einwanderer dazu bewegen, ausgerechnet nach Deutschland zu kommen?
An mehreren Stellen des Essay wird explizit darauf hingewiesen “Wer flieht, weil er verfolgt wird, bleibt geschützt.” und damit eindeutig das Bekenntnis zu Grundrecht auf Asyl im Text gegeben. Die begriffliche Unschärfe sorgt aber dafür, dass diese inhaltliche Klarheit sich den Lesenden nicht deutlich genug,erschließt. Das führt dazu, dass der Eindruck entsteht, dass doch von denjenigen Menschen die Rede ist, die hier Schutz suchen, sei es vor Krieg oder politischer Verfolgung – und das sind sehr viele.
Ja, die Aufnahme von Flüchtlingen und Asylsuchenden ist kostenintensiv, vor allem, weil hier eben auch viele kommen, die keine Ausbildung haben, ja zum Teil erst hier lesen und schreiben lernen. Allerdings ist ein Mangel an Qualifikation definitiv kein Grund, Menschen das Recht auf Asyl zu verweigern. Eine Überprüfung des Status in regelmäßigen Intervallen könnte eventuell sinnvoll sein. Hier ist eine Kosten-/Nutzenabwägung für unseren Staat notwendig, denn der bürokratische Aufwand wäre enorm, die Kosten könnten ins Astronomische steigen.
Die begriffliche Unschärfe betrifft auch das Thema der Integration. Von wem spricht die Autorin hier? Von Menschen, die eingewandert sind oder einwandern wollen? Von Menschen, die flüchten und/oder politisches Asyl suchen? Die Grenzen verschwimmen an dieser Stelle des Essays, was sicherlich auch ein Grund für die scharf formulierten Kommentare ist. In der Piratenpartei sind wir uns darüber einig, dass Deutschland aufgrund seiner Geschichte eine besondere Verpflichtung hat, für Flüchtlinge und Asylsuchende ernsthaft zu sorgen. Daran geht kein Weg vorbei.
Was bleibt, ist das Dilemma, dass Flucht und Asyl aufgrund der oft genug geringen Qualifikation der Menschen, die kommen, sehr kostenintensiv ist. Was in Deutschland fehlt, ist weniger eine Ablehnung dieser Menschen als vielmehr eine Evaluation der Integrationskurse im Besonderen und der Betreuung eben dieser Menschen im Allgemeinen. Wie gesund sind sie (Stichwort: Posttraumatische Belastungsstörung)? Wie belastbar sind sie? Wenn wir sagen, dass Flüchtlinge und Asylsuchende nicht automatisch auf Dauer in Deutschland bleiben sollen, wie gehen wir dann damit um? Was tun wir mit denen, die bleiben möchten? Eine sehr richtige Anmerkung in diesem Essay ist die Tatsache, dass Menschen, die dauerhaft auf Transferleistungen angewiesen sind, in die Rolle eines ewigen Gastes kommen – und das ist für Menschen allgemein sehr frustrierend. Sie haben an unserer Gesellschaft nicht teil.
Deshalb sollten wir wirklich prüfen, was die Integrationskurse tatsächlich vermitteln und inwieweit die Menschen, die daran teilnehmen, überhaupt fähig sind, die Inhalte aufzunehmen. Wir müssen überlegen, ob wir die Menschen in die Lage versetzen möchten, nach ihrer Rückkehr in ihre Herkunftsländer dort einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen und wie wir das umsetzen, ohne uns dabei komplett zu verschulden.
Diese Diskussion muss gesellschaftlich geführt werden!
Aus diesem Grund ist der Beitrag von Nasrin Amirsedghi trotz aller Vorbehalte und Kritik für uns wichtig. Der Beitrag zeigt die Problematik von Einwanderung und Integration, wirft Fragen auf, wie unsere Gesellschaft Integration versteht und was wir mit einer Integration erreichen möchten. Wir sind der Meinung, dass ohne eine Begegnung auf Augenhöhe und gegenseitigem Respekt keine Integration möglich ist und alle unsere Bemühungen zum Scheitern verurteilt werde
[1] Bayrischer Rundfunk – Flüchtling, Migrant, Asylbewerber



Danke euch beiden für die klaren Worte. Es ist wichtig, dass man sich durch das Geschrei einiger lauten nicht beginnt Selbstzensur zu betreiben. Ich denke einige, welche mit aller Kraft versuchen das freie Wort abzuwürgen, sollten gerade in sich gehen, warum sie so valide Verfechter einer „sozialen Chatkontrolle“ sind.