Zivilgesellschaft

Bürgerbeteiligung und Open Government

Demokratie-Add-On für Europa

PIRATEN plädieren für einen direkt gewählten Bürgerkonvent, der mit der Ausarbeitung eines neuen EU-Vertrags beauftragt wird, der Unklarheiten beseitigt und die notwendige demokratische Reform in der Europäischen Union umsetzt. Eine solche neue Verfassung muss zwingend von den Bürgern der Union in einer Volksabstimmung angenommen werden.

Der gegenwärtige EU-Gesetzgebungsprozess wird von der vollziehenden Gewalt, insbesondere der Europäischen Kommission, auf Kosten der gesetzgebenden Gewalt, dem Europäischen Parlament, dominiert. PIRATEN wollen eine Änderung der Machtverteilung in den europäischen Institutionen erreichen, die die Legislative begünstigt.

Die direkte Demokratie auf EU-Ebene, d. h. EU-weite Abstimmungen über Verfassungsrevisionen und von Bürgern initiierte legislative Abstimmungen sollten Teil der neuen Verfassung sein. Die Bürger sollen das Recht haben, bestehende Rechtsvorschriften aufzuheben und neue Rechtsvorschriften zu erlassen.

Innovative politische Partizipation

PIRATEN wollen, dass die Bürger sowohl in der politischen Debatte als auch im Entscheidungsprozess direkter und umfassender mitwirken können.

Das Europäische Parlament muss ein Instrument für die E-Partizipation einrichten. Bürger sollten in der Lage sein, Gesetzesvorschläge öffentlich zu diskutieren, Änderungsvorschläge zu unterbreiten und online zu
unterstützen (oder dagegen zu stimmen).

Wir möchten die Europäische Bürgerinitiative reformieren. Der Datenaufwand muss reduziert werden. Die Europäische Kommission sollte sich auch mit erfolglosen, aber interessanten Initiativen auseinandersetzen. Petenten mit einer erheblichen Anzahl von Befürwortern haben das Recht, persönlich angehört zu werden. Das Europäische Parlament sollte seinen Bürgern regelmäßig seine Türen öffnen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Vorschläge und Anliegen direkt einer gemeinsamen Plenartagung mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments und Mitgliedern der Europäischen Kommission vorzulegen. An diesen Sitzungen sollten auch die Teilnahme über das Internet und soziale Medien möglich sein.

Open Government

Die Europäische Union soll dem Open Government Partnership beitreten, einer multilateralen Initiative, die auf der Open Government Förderung, einer Stärkung der Bürger, die Bekämpfung der Korruption und die Nutzung neuer Technologien zur Verbesserung der Regierungsführung abzielt.

Korruptionsbekämpfung und Eindämmung von Unternehmenslobbyismus

Der Einfluss von Geld auf die Politik ist eines der wichtigsten Korruptionsrisiken in der EU und eine Gefahr für ihr demokratisches Fundament. Politische Entscheidungen werden nicht im besten Interesse aller Bürger getroffen, wenn Unternehmensinteressen im Vordergrund stehen.

Offenlegung und Begrenzung der Einflussnahme von Interessengruppen

Um den demokratischen Prozess zu schützen und die Grundlage von Entscheidungen transparent zu machen, fordern PIRATEN die Offenlegung der Einflussnahme von Interessengruppen und Lobbyisten auf politische Entscheidungen. Lobbyaktivitäten sollen so transparent wie möglich sein. Dies bereits bestehende Lobby-Register muss verpflichtend sein und mit einem transparenten Kalender im Internet verbunden werden. Jeder EU-Bürger sollte herausfinden können, mit wem sich der gewählte Vertreter traf, was der Zweck des Treffens war und was dort geschah. Der gesamte Prozess erfordert ein mehrstufiges Kontrollsystem, das für eine zuverlässige Demokratie erforderlich ist. Darüber hinaus soll ein „legislativer Fußabdruck“ veröffentlicht werden: Alle an der politischen Entscheidungsfindung Beteiligten sollen ihre Zusammenkünfte mit Lobbyisten und schriftliche Unterlagen, die sie erhalten, veröffentlichen. Gesetzesentwürfe und Änderungsanträge müssen auf ihren ursprünglichen Verfasser zurückgeführt werden können.

Durchsetzbare Ethikregeln und ein Aufsichtsmechanismus sollen Lobbyisten daran hindern, übermäßigen Einfluss ausüben zu können.

Interessenkonflikte vermeiden

Beamte (einschließlich Sonderberater der Kommission) und gewählte Volksvertreter (einschließlich Berichterstatter) dürfen nicht unangemessen von privaten Interessen bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben beeinflusst werden. Interessenskonflikte können bei Nebentätigkeiten und früheren Jobs auftreten, aber auch durch Seitenwechsel von Parlamentsmitgliedern, Kommissaren oder Beamten, die neue Jobs im privaten Sektor annehmen.

Es müssen geeignete Regeln aufgestellt werden, um sicherzustellen, dass die betreffenden Amtsträger in keine Interessenkonflikte geraten, dass Interessen angegeben werden und dass Fehlverhalten sanktioniert wird. Die Verhaltensregeln des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission müssen reformiert werden. Für Intergroups und andere fraktionsübergreifende Arbeitsgruppen, an denen Abgeordnete und Lobbyisten beteiligt sind, sind wirksame Transparenz- und Ethikregeln erforderlich. Eine unabhängige Stelle sollte die Einhaltung überwachen und erforderlichenfalls Sanktionen verhängen. Umfassende Regeln zur Begrenzung von Seitenwechseln (Drehtür-Effekt) sind festzulegen.

Demokratisierung des Beteiligungsprozesses

Sachverständigengremien dürfen nicht länger von Geschäftsinteressen dominiert werden. Die EU-Kommission soll wirksame Vorkehrungen dagegen treffen, dass Konzerne Experten- und Beratungsgruppen, Technologieplattformen und EU- Agenturen kapern. Zurzeit findet eine unverhältnismäßig hohe Anzahl der Lobbytreffen von EU-Beamten mit großen Unternehmen statt. Diese Treffen sollten reduziert und mehr Zeit für die Belange von Bürgern, kleinen und mittleren Unternehmen sowie anderen derzeit unterrepräsentierten Interessengruppen aufgewendet werden.

Finanzierung von Wahlkämpfen

Alle europäischen politischen Parteien sollen öffentlichen Einblick in ihre Bankkonten für Wahlkämpfe gewähren. Die Behörde, die die europäischen politischen Parteien beaufsichtigt, soll wirksame Kontroll- und Sanktionsinstrumente erhalten.

Transparenz und Whistleblower-Schutz

Transparenz gibt den Ohnmächtigen die Macht, die Mächtigen zu überwachen. PIRATEN glauben, dass Transparenz notwendig ist, damit die Öffentlichkeit demokratische Entscheidungen treffen kann.

Whistleblower-Schutz

PIRATEN befürworten eine allgemeine und umfassende Gesetzgebung, um Personen zu schützen, die Probleme aufdecken, die im öffentlichen Interesse liegen (“Whistleblowers”). Anwendungsfälle sollen hierbei unter anderem die Veröffentlichung von Korruptionsfällen, Insiderhandel, Verstöße gegen Moral und Standesethik und Menschenrechtsverletzungen sein. Hinweisgeber müssen in der Lage sein, bei einer zuständigen Behörde oder gegenüber Medien intern auszusagen, damit die Meinungsfreiheit und das Recht der Bürger auf Information gewährleistet bleibt.

Transparenz des öffentlichen Sektors

Der Staat, einschließlich privater Unternehmen und Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, muss transparent sein. Alle Informationen sollen standardmäßig als offene Daten veröffentlichen werden, ohne ihre Weiterverwendung einzuschränken. Die Gesetzgebung muss transparenter werden, insbesondere im Rat und bei Trilogen. Öffentliche Stellen sollen verpflichtet sein, Informationen über Entscheidungsprozesse zu dokumentieren. Behörden und Volksvertreter sollen Aufzeichnungen führen und proaktiv Informationen wie Tagesordnungen, Sitzungsprotokolle, Dokumente von Dritten wie z.B. Eingaben von Lobbyisten sowie Informationen zur Begründung getroffener Entscheidungen veröffentlichen.

Das Prinzip der Transparenz soll für alle öffentlichen Stellen gelten, einschließlich des EU-Gerichtshofs, der Ständigen Vertretungen der EU-Mitgliedsstaaten und der wechselnden Ratspräsidentschaften.

PIRATEN glauben, dass es ein Grundrecht der Bürger ist, alle Verträge oder finanziellen Vorteile im Zusammenhang mit der Durchführung von Projekten und Dienstleistungen des öffentlichen Sektors oder der Regierung ohne besondere Begründung prüfen zu können.