Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute sein Urteil in der Klage des Gautinger Gemeinderats und PIRATEN-Mitglieds Tobias McFadden zur WLAN-Störerhaftung gesprochen. In seinem Richterspruch ist der EuGH der Empfehlung des Generalanwalts nicht in seiner Gesamtheit gefolgt. Auf der heutigen Pressekonferenz in Berlin haben Tobias McFadden, Nicole Britz, Vorsitzende der Piratenpartei Bayern als Klageunterstützung, Patrick Schiffer, Bundesvorsitzender der Piratenpartei, und Bruno Gert Kramm, Landesvorsitzender der Berliner PIRATEN, Stellung bezogen.
Aus dem EU-Parlament zugeschaltet war die Europaabgeordnete der PIRATEN, Julia Reda, die ihre Einschätzung auch vor dem Hintergrund der neuerlichen Forderung von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach einem flächendeckenden WLAN in Europa, gab: »Das Urteil zeigt: Keine Digitalstrategie kommt daran vorbei, die Probleme des Urheberrechts anzugehen. Noch gestern hat EU-Kommissionspräsident Juncker uns versprochen, bis 2020 werden alle europäischen Städte und Dörfer mit freiem WLAN versorgt. Heute macht die Komplexität des Urheberrechts diesem Ziel bereits einen Strich durch die Rechnung: Denn wenn das freie WLAN auch für Geflüchtete und BesucherInnen zugänglich sein soll, wie von der Kommission angekündigt, kann ein Passwortschutz keine Lösung sein.«
Patrick Breyer, Datenschutzexperte der Piratenpartei, reagiert empört auf das Urteil: »Dieses Urteil schützt zwar WLAN-Anbieter vor Schadensersatzansprüchen, jedoch ist der geforderte Passwort- und Identifizierungszwang vorgestrig und ein technologiefeindlicher Kniefall vor der Urheberrechtslobby. Nach dieser Logik müssten auch Telefonzellen und Briefkästen mit einem Identifizierungszwang versehen werden. Bundesregierung und EU-Kommission müssen diesen Angriff auf offene passwortfreie Internetzugänge abwehren und die gesetzlichen Regelungen ändern.
Ein Identifizierungszwang ist völlig untauglich, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Denn auch bei Vergabe eines Passworts ist nicht rückverfolgbar, welcher WLAN-Nutzer eine konkrete Urheberrechtsverletzung begangen hat. Statt offenes WLAN zu verbieten, sollte man den Urhebern beispielsweise durch die Einführung einer Pauschalvergütung ähnlich der Geräteabgabe entgegenkommen und privates Filesharing im Gegenzug legalisieren.«
Tobias McFadden erläutert: »Das Urteil ist nicht Fisch, nicht Fleisch. Ich sehe es als Teilerfolg für mein Verfahren an, das jetzt am Landesgericht München weiter geht. Das Urteil wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet. Der Kampf für Freie Netze wird jetzt erst richtig beginnen!«
Ein Zusammenschluss verschiedener Verbände warnte den Europäischen Gerichtshof vor „schwerwiegenden Konsequenzen“, sollte er die Schließung offener WLAN-Hotspots verlangen. Die Electronic Foundation (EFF), Mozilla, die Digitale Gesellschaft und andere weisen darauf hin, dass offene Netze Rettungsdienste unterstützen, im Katastrophenfall hilfreich sind sowie Innovation unterstützen.