Nach dem „Ergebnis“ des Diesel-Gipfels kann man sich eigentlich nur noch fragen, für wie dämlich wir Bürger eigentlich von Regierung und Autoindustrie gehalten werden. Die Probleme mit dem Schadstoffausstoß der Diesel-Fahrzeuge werden also durch ein einfaches Software-Update behoben? Über fünf Millionen Fahrzeuge sollen auf diesem Weg „sauber“ werden, ohne dass es Nachteile bei Leistung, Verbrauch und Lebensdauer gibt? Noch dazu scheint es diese Wunder bewirkende Software als herstellerübergreifende Lösung zu geben. 

„Sauber“ bedeutet in der Lesart der Gipfel-Protagonisten eine Reduzierung der Schadstoffe um ca. 25% –  bei Motoren die teilweise das 10-fache der erlaubten Grenzwerte produzieren. Chapeau!

Märchenstunde

Bitte Hand hoch, wer glaubt an den Weihnachtsmann? Seit Jahren werden Autos ausgeliefert, die eine Motorsteuersoftware haben, die schlechtere Abgaswerte produziert als es bei gleicher Leistung, Lebensdauer und Verbrauch möglich wäre? 
Der Abgasanteil, um den es primär bei Diesel-PKW geht, sind die Stickoxide. Die entstehen im Motor bei besonders hohen Verbrennungstemperaturen aus dem in der Luft enthaltenen Sauerstoff und Stickstoff. Hohe Verbrennungstemperaturen sind aber notwendig, um möglichst viel Leistung bei niedrigem Verbrauch zu erzielen und keine Rückstände im Brennraum zu haben, die die Lebensdauer des Motors reduzieren können.
Die Automobilhersteller haben jetzt also eine Software gefunden, mit der es möglich ist, sich zu waschen, ohne nass zu werden? Wann dürfen wir auf ein Update hoffen, mit dem das Auto ein paar Liter Treibstoff auf 100 km produziert, statt sie zu verbrauchen?
Das tatsächliche Ergebnis dürfte wohl eher sein, dass der Autobesitzer nach dem Update feststellt, dass sich sein vorher flinker Diesel wieder etwas mehr wie ein klassischer, gemächlicher Diesel verhält. Trotzdem wird sich der Motor einen Schluck mehr Kraftstoff genehmigen. Dass sich die Lebensdauer des Motors infolge des Softwareupdates verringert hat, merkt man erst etwas später.

(Tat)Bestandsaufnahme

Die Automobilindustrie hat jahrelang Fahrzeuge unter Vortäuschung falscher Tatsachen verkauft. Um den Kunden die erwünschten Eigenschaften zu bieten, sind wissentlich Umweltgesetze gebrochen worden. Hinzu kommt vorsätzlicher Betrug (bei VW rechtskräftig festgestellt) durch Einsatz von Motorsteuersoftware, die erkennt, wann eine Abgasmessung läuft.
Möglich war dies, weil die Testvorschriften bei der Abgasmessung leicht zu überlisten sind. Der Test wird auf einem Rollenprüfstand mit einem vorgegebenen Profil durchgeführt. So kann die Software feststellen, wann sie die Motorsteuerung zurück nehmen muss, um die Schadstoffe in den vorgegebenen Grenzen zu halten.
Über viele Jahre haben insbesondere deutsche Politiker immer wieder dafür gesorgt, dass die Grenzwerte und die Testvorschriften nicht zu anspruchsvoll werden. Immerhin geht es ja um Arbeitsplätze in der deutschen Königsdisziplin. Wenig verwunderlich, dass da der Präsident des VDA schon Tage vor dem Gipfel wusste, dass es keine Stillegungen und Fahrverbote geben wird. Massenhafte Stilllegungen von Dieselfahrzeugen – das wäre auch für die Groko als Erfüllungsgehilfe der Machenschaften deutscher Autobauer ein Szenario, das sie vor der Bundestagswahl gar nicht gebrauchen kann. 
Wir müssen also feststellen, dass es zwei Klassen von Gesetzesbrechern gibt. Die eine Sorte landet vor Gericht, die anderen haben eine Kanzlerin und einen Verkehrsminister, die schützend die Hände über sie halten.

Schadensbild

Nachdem also die notleidende Automobilindustrie auf dem Dieselgipfel mit einem blauen Auge davon gekommen ist, stellt sich die Frage nach den tatsächlich Geschädigten.
Da sind zunächst die Käufer der Autos, die in gutem Glauben ein Fahrzeug erworben haben, das möglicherweise einfach stillgelegt wird, weil die Typzulassung auf falschen Daten beruht. Auch ein Fahrverbot in Städten wird diese Autofahrer empfindlich treffen. Teilweise werden diese Verbote nicht zu vermeiden sein, da es EU-Vorgaben über die Stickoxid-Grenzwerte gibt und die Städte verpflichtet sind, diese einzuhalten. Eine bodenlose Frechheit, insbesondere für Halter älterer Fahrzeuge, ist in diesem Zusammenhang das Angebot von BMW, eine Umweltprämie von 2000 Euro bei Erwerb eines Neuwagens (Euro 6 Diesel, Elektromobil oder Hybrid) als Preisnachlass zu gewähren. Dieses großzügige Angebot muss man einen Moment auf sich wirken lassen…
Die Opfer der Luftverschmutzung sind, wie bei den meisten Umweltsauereien, nur statistisch zu erfassen. Geschätzt werden alleine für die EU pro Jahr etwa 11.000 zusätzliche Todesfälle durch die Nichteinhaltung der Abgas-Grenzwerte.
Steuerhinterziehung ist ein weiterer Aspekt. Viele der betroffenen Fahrzeuge haben eine Vergünstigung der KFZ-Steuer erhalten, für die sie technisch definitiv nicht qualifiziert waren. 

Wie raus aus der Krise?

Bereits vor zwei Jahren war VW mit seinen Manipulationen aufgeflogen. Politische Konsequenzen? Fehlanzeige, was auch nicht anders zu erwarten war, ist doch das Land Niedersachsen einer der VW Hauptaktionäre. Damit wurde das Problem verschärft. Weitere zwei Jahre lang wurden von fast allen Herstellern Fahrzeuge mit falschen Abgaswerten munter weiter verkauft.
Bei über 5 Millionen Fahrzeugen in Deutschland ist das Problem gewaltig. Auf viele dieser Autos sind Menschen täglich angewiesen, um zur Arbeit zu kommen oder sie benötigen diese für ihre Arbeit selbst. Eine Forderung nach Fahrverboten muss auf jeden Fall mit einer Lösung für diese Leute einhergehen und die kann nicht darin bestehen, ein Almosen beim Kauf eines Neuwagens anzubieten. Hier sind massiv Konsumenten betrogen worden, denen eine Entschädigung zusteht.
Die jetzt angebotene „Lösung“ ist nur ein Feigenblatt, mit dem sich die Hersteller um die Verantwortung und die daraus entstehenden Kosten drücken wollen. 
Als Sofortmaßnahme, um eine moderate Schadstoffreduzierung zu erzielen, kann ein Softwareupdate sinnvoll sein, wenn es auch nicht ohne die schon genannten Nebenwirkungen bleibt. Es müssen aber weitere Maßnahmen folgen. Änderungen an der Hardware waren immerhin im Gespräch. VW-Chef Müller hat die gleich mal als  „ausgeschlossen“ abgebügelt. Er postulierte die „fragwürdige Wirkung“ von Umbauten und Nachrüstungen (eine glatte Lüge, wenn man bedenkt, dass es bei Diesel-LKWs durch den Einsatz von Harnstoff eben kein Stickoxid-Problem gibt) und sprach weiterhin, hier fakten- und profitorientiert, von „zu hohem Aufwand“. Und unsere Politiker nehmen Aussagen wie diese lächelnd zur Kenntnis. Wo kämen wir auch hin, wenn unsere „Schlüsselindustrie“ den selbst verbockten Mist auch selbst wieder wegräumen müsste? 

Tipp: Wenn Sie glauben, sich bei der letzten Bundestagswahl verwählt zu haben – die nächste findet in 7 Wochen statt.

Fuhrparkerneuerung

Für Fahrzeuge, die nicht modifiziert werden können, um die Grenzwerte einzuhalten, müssen die Hersteller gleichwertigen Ersatz beschaffen.
Der nächste Schritt muss sein, dass endlich das Gefasel vom sauberen Diesel und der glänzenden Zukunft des Verbrennungsmotors aufhört. Verbrennungsmotoren sind am Ende ihrer Entwicklungsfähigkeit angekommen und der Diesel ist mit lautem Krachen vor die Wand gefahren.

Die Zukunft des Autos ist elektrisch.

Fehlentscheidungen wie die von Seehofer, den veralteten Motoren weiter Rückendeckung zu geben, werden nur zur Folge haben, dass sich die deutsche Automobilindustrie abschafft.  Aber vielleicht hat sie das auch verdient, so wie sie sich aktuell benimmt.