Die Erde hat sich seit 1850 um über ein Grad erwärmt. Der Anstieg des Kohlendioxid-Gehaltes in unserer Atmosphäre von 280 auf 420 ppm (parts per million) ist dafür die Hauptursache. Einhergehend mit der Erderwärmung häufen sich, statistisch belegbar, weltweit Extremwetterereignisse wie Hitzewellen, schwere Stürme und Überschwemmungen, die enorme Schäden verursachen. Klimasimulationen besagen, dass eine weitere Erwärmung um 4 Grad Celsius bis 2100 mit unabsehbaren, katastrophalen Folgen droht, wenn wir so weiter wirtschaften wie bisher. Könnte eine CO2-Steuer dieser verhängnisvollen Entwicklung entgegen wirken?

Die Erderwärmung ist eines der gravierendsten Probleme unserer Zeit. Dies gilt mittlerweile als breiter, durch wissenschaftliche Daten gestützter gesellschaftlicher Konsens. Dabei kommt die Tatsache an sich beileibe nicht als neue Erkenntnis daher. Die Klimaforscher präsentieren ihre Ergebnisse und ihre damit verbundenen Warnungen schon seit mehr als 30 Jahren.

Neu ist dieser breiter gewordene Konsens, initiiert vor allem durch junge Menschen und ihre Bewegung Fridays For Future. FFF bringt die alteingesessenen, eher der Wirtschaft zugeneigten „Profis“ schwer ins Grübeln, aber noch nicht genug ins Schwitzen. Ihre Argumentationslinien brechen zusammen, ihre Glaubwürdigkeit leidet. Die Politiker unter den Profis befürchten sogar Wählerschwund und schlagen deshalb in letzter Zeit ganz zaghaft neue Töne an. An ihrem grundsätzlichen Herangehen an die Sache ändert das freilich wenig. Auch diese neuen Töne klingen, hört man genauer hin, wie die alten Lieder – nur in Moll, weil man nun zumindest eingesehen hat, wie deprimierend alle Bemühungen, das Klimaproblem in den Griff zu bekommen, bislang verlaufen sind.

Die Idee einer CO2 – Steuer

Es gibt bereits eine Reihe von Ländern, die diese Steuer erheben. Die Schweden kennen sie seit 1991. Seit Ende April wird erstmals auch eine deutsche CO2-Steuer ernsthaft diskutiert. Die Frage ging zwar sehr schnell im Strudel anderer „wichtigerer Themen“ unter, aber deshalb ist sie noch lange nicht vom Tisch.

Wie üblich übernahm die SPD in Gestalt der von ihr gestellten Umweltministerin Schulze die Rolle der Überbringerin der schlechten Botschaft. Und wie üblich feuerten die GroKo-“Partner“ der SPD, die CDU/CSU sofort aus allen Rohren zurück. Da soll noch einer sagen, die deutsche Politik sei nicht vorhersehbar.

CO2-Steuer vs. Emissionshandel

FDP-Vollprofi Lindner betrachtet die Angelegenheit immerhin etwas differenzierter. Statt einer CO2-Steuer favorisiert er den Ausbau des Emissionshandels. Die Idee, die dahinter steckt, ist folgende: Betreiber von Anlagen, die CO2 emittieren, müssen je Tonne frei gesetztes CO2 ein Zertifikat zu einem bestimmten Preis erwerben. An sich eine gute Idee. Bei näherer Betrachtung stellt sich Lindners Vorschlag, der auch von Teilen der Union mitgetragen wird, jedoch als klassische Nebelkerze heraus.

Der CO2-Zertifikatshandel wurde bereits im Jahre 2005 auf europäischer Ebene installiert, konnte aber bis dato keinen nennenswerten Beitrag zur Verminderung des CO2-Ausstoßes leisten. Die Begründung dafür ist sehr einfach. Bei weitem nicht alle Anlagenbetreiber sind in der Pflicht, „Verschmutzungsrechte“ zu erwerben. Die Sektoren Verkehr (außer Flugverkehr) und Wärmeerzeugung bleiben komplett außen vor, obwohl sie für über 50% der CO2-Emissionen verantwortlich sind. Außerdem steht der aktuelle Preis für ein CO2-Zertifikat, in keinem vernünftigen Verhältnis zum (zukünftigen) Schaden, den die Anreicherung des Gases in der Atmosphäre verursacht. Er ist in den letzten Jahren zwar von 5 auf 26 Euro gestiegen, lag aber auch schon mal unter 2 Euro je Tonne. Das hängt u.a. damit zusammen, dass schlicht zu viele Zertifikate im Umlauf sind.

Herr Lindner möchte den Zertifikatshandel nunmehr reformieren, ihn sogar ausweiten und weiß dabei ganz genau, dass die dazu notwendige europäische Gesetzgebung Jahre in Anspruch nehmen würde; Zeit, die wir nicht haben.
Politiker wie Lindner lassen keine Gelegenheit aus, den „sich selbst in vernünftiger Weise regulierenden freien Markt“ vehement zu verteidigen. In Wirklichkeit aber organisieren sie diesen Markt klammheimlich straff im Sinne ihrer Lobby. Genau das haben sie hinsichtlich des Zertifikatshandels getan und versuchen nun, das gefundene „erfolgreiche Modell“ weiter zu führen.

Die inhaltliche Ausgestaltung einer CO2-Steuer

Eine deutsche CO2-Steuer, die alle CO2-Emissionen erfasst, ließe sich wesentlich schneller umsetzen. Die SPD peilt Ende 2019 dafür an. Das Konzept der Sozialdemokraten sieht vor, die Steuer vollständig an anderer Stelle an die Verbraucher zurück zu geben. Es gibt Berechnungen, nach denen untere Einkommen von der Steuer sogar netto profitieren. Von der SPD betriebene wahrhaftige Sozialpolitik – das wäre mal etwas Neues. Wir befürchten allerdings, dass auch dieser Ansatz von einem faulen GroKo-Kompromiss hinweggespült wird. Die Union kann sich, Stand Anfang Mai, eine CO2-Steuer mittlerweile durchaus vorstellen – im Rahmen einer Steuerreform, bei der die Unternehmen entlastet werden. Da wissen wir doch, wohin das zusätzlich eingenommene Geld am Ende fließt.

Besser als eine Steuer, die im ganz großen Topf landet, dessen Inhalt dann nach Gutdünken der Regierung verteilt wird, wäre ohnehin eine zweckgebundene CO2-Abgabe, die ausschließlich für Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen verwendet wird.
Bleiben wir aber der Einfachheit halber bei einer Steuer.

Die CO2-Steuer in Zahlen

Welcher Preis wäre dann angemessen? Laut einer neuen Studie des Internationalen Währungsfonds würden 70 Dollar (rund 62 Euro) pro Tonne CO2 genügen, die Weltwirtschaft schnell genug zu dekarbonisieren, um das in Paris formulierte 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Das Umweltbundesamt nannte jüngst die Zahl von 180 Euro und bezifferte damit den Schaden, die jede vom Menschen frei gesetzte Tonne CO2 an unserer Umwelt verursacht.
Die jungen Wilden von FFF haben diesen Wert aufgegriffen und leiten daraus die Höhe der von ihnen geforderten CO2-Steuer ab. Eine gerechte und – das sollten selbst die Fans strikten, ökonomischen Rechnens an dieser Stelle eingestehen – auch wirtschaftlich sinnvolle Forderung. Wir missbrauchen unsere Atmosphäre schon viel zu lange als Mülldeponie und müssen endlich erkennen, dass das Abladen von Müll schon heute einen Preis hat. Wenn sich unsere Jugend dagegen wehrt, diesen Preis in der Zukunft alleine zu bezahlen, ist das nur allzu verständlich.

Man müsste eine Zahl irgendwo zwischen 62 und 180 Euro finden, oder auch erst einmal mit 30 Euro anfangen. Der eigentliche Knackpunkt ist jedoch: Die Steuereinnahmen müssten zweckdienlich, sprich tatsächlich für eine konsequente Hinwendung zu erneuerbaren Energien und mehr Energieeffizienz verwendet werden. Durch sinnvolle Investitionen in mehr moderne Gebäudetechnik, Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen, Elektromobilität, ÖPNV, Wärmepumpen und vor allem in Energiespeicher ließe sich der vom CO2 getriebene Klimawandel stoppen. Laut IWF für 62+ Euro pro Tonne CO2. Und wären solche Investitionen nicht sogar gut für die Wirtschaft? Dann ginge allerdings der SPD-Plan, die Steuer komplett an den Bürger zurück zu geben, nicht auf. Oder vielleicht doch? Die Steuer könnte, längerfristig betrachtet, sogar zu sinkenden Energiepreisen führen.

Wen die Steuer trifft…

62 Euro pro Tonne CO2 bedeuten allerdings sofort einen Preisaufschlag von ca. 15 Cent je Liter Benzin bzw. 17 Cent für Diesel. Das sind freilich knallharte Fakten, die die Autonation Deutschland bis ins Mark erschüttern. Mit ihnen kann man hervorragend gegen eine CO2-Steuer wettern und trifft dabei voll den Nerv der Deutschen. Die sind zwar zu 85% der Meinung, dass man etwas gegen den Klimawandel tun müsse, lehnen aber zu 65% eine CO2-Steuer ab.

Die PIRATEN wollen sie dennoch, aber eben keine in der von CDU/CSU favorisierten Richtung, die wiederum nur Otto Normalverbraucher treffen würde. Wir bevorzugen den nachhaltigen und erfolgreichen schwedischen Ansatz. Dort, wie auch in der Schweiz, werden die Einnahmen an den Bürger zurück gegeben; teils direkt, teils , indem der Staat ganz bewusst Technologien subventioniert, die geeignet sind, den CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Das ganze Geschrei über die Verteuerung von Treibstoffen und Heizmaterialien verschleiert im Übrigen einen ganz wichtigen Fakt, der auch nur vereinzelt in den Leitmedien angesprochen wird: Welcher Wirtschaftssektor bläst eigentlich das meiste CO2 in die Luft?

…und wen sie stattdessen treffen sollte

Statistiken belegen klar, dass der Verkehr zwar eine gewichtige Rolle spielt, unangefochtener Spitzenreiter ist aber die Energiewirtschaft. Sie hatte auch im Jahre 2017 in Deutschland einen Anteil von knapp 41% an den Gesamtemissionen von Treibhausgasen. Dieser Anteil ist gegenüber den Vorjahren kaum gesunken. Warum eigentlich? Die Technologien der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen sind seit Jahren ausgereift. Sie werden allerdings zu wenig und wenn, dann nicht an der richtigen Stelle gefördert und in vielen Punkten sogar aktiv behindert.

Dass für eine einzige Kilowattstunde Braunkohlestrom ca. 1,1 kg CO2 in der Luft landen, wird sehr selten thematisiert. Die Rechnung, was Braunkohlestrom mit einer CO2 – Steuer von, sagen wir wieder 62 Euro je Tonne kosten müsste, enthält man uns vorsichtshalber ganz vor. Die Stromgestehungskosten (das ist verkürzt gesprochen der Preis, für den eine Kilowattstunde Strom produziert werden kann) würden sich für Braunkohlestrom um ca. 6,9 Cent pro Kilowattstunde erhöhen. Sie lagen 2018 mit 4,5 bis 8 ct/kWh bereits über denen von großen Photovoltaik-Freiflächenanlagen (3,8 bis 6,5 ct/kWh) und waren mit denen der onshore Windkraftanlagen vergleichbar. Wohlgemerkt ohne CO2-Steuer und erst recht ohne Berücksichtigung der vom Braunkohletagebau hinterlassenen Landschaftsschäden.

Die Steuer würde also den Weiterbetrieb von Braunkohlekraftwerken plötzlich völlig unrentabel machen. Der Ökostrom, der ständig als viel zu teuer verteufelt wird, wäre auf einen Schlag günstiger. Und das Beste daran: Wir können ihn selbst produzieren! Wir könnten es umso besser, je mehr der Staat die eingenommene Ökosteuer für die Förderung erneuerbarer Energien verwendet. Wir könnten unserem Nachbarn überschüssigen Strom für 12 ct/kWh oder weniger verkaufen. Wir könnten Bürgerenergie-Genossenschaften gründen. Kommunen könnten ihre Energieversorgung in die eigenen Hände nehmen, vollständig basierend auf erneuerbaren Quellen. Kurz und gut – bereits eine moderate CO2-Steuer wäre das endgültige und ziemlich kurzfristige Aus für alle deutschen Kohlekraftwerke.

Schon bis Ende 2019 könnte ein Viertel der vorhandenen Kohlekraftwerksleistung stillgelegt werden. Dafür müsste der Staat nicht einmal Entschädigungen an die Eigentümer zahlen, weil die meisten der betroffenen Kraftwerke über 40 Jahre alt und als schlimmste Dreckschleudern damit betriebswirtschaftlich abgeschrieben sind.
Ersatzkapazitäten stehen in Form von deutlich ökologischeren Gaskraftwerken und künstlich klein gehaltenen Erneuerbaren ausreichend zur Verfügung.

Warum passiert das dann nicht?

Das weitere Betreiben einer Anlage, deren Investitionskosten komplett zurück geflossen sind, lohnt sich einfach viel mehr, als in eine neue zu investieren; also zumindest solange der Betrieb nicht durch eine CO2-Steuer sanktioniert wird. Und natürlich wollen FDP und Union keine Sanktionen für ihre Kernklientel.

Was Anlass zu verhaltenem Optimismus gibt: Bei den Big Playern der Energiewirtschaft selbst setzt das Umdenken ein. RWE hat sich von den Planungen neuer Kohlekraftwerke endgültig verabschiedet. Bei der Entscheidung dürften weniger die Einsicht in die Notwendigkeit, sondern vielmehr ökonomische Parameter eine Rolle gespielt haben. Aber sei‘s drum – wir begrüßen den Schritt von RWE und hoffen, andere Energieriesen werden folgen.

Die Rolle des mündigen Verbrauchers

Nach dieser eher distanzierten Betrachtung der Fakten stünde uns ein wenig Reflexion des eigenen Tuns gut zu Gesicht; auch wenn‘s schmerzhaft ist. Wie groß ist der pro Kopf CO2-Fußabdruck der Deutschen? Im Wikipedia findet man hierzu eine sehr aufschlussreiche Tabelle. Rund neun Tonnen CO2 pro Kopf im Jahr 2016. Wir könnten jetzt mit dem Finger auf alle Nationen zeigen, die in der Rangliste vor uns liegen. Das würde zwar unser Selbstwertgefühl steigern, aber keinen Beitrag zur Erreichung des Pariser Klimaziels liefern. Dazu müssten wir uns mit ungefähr zwei Tonnen pro Kopf und Jahr begnügen. Vielleicht verkaufen uns ja die Afrikaner die notwendigen Emissions-Zertifikate…

Viele Deutsche werden beim bloßen Gedanken, auf irgendetwas verzichten zu müssen, ganz spontan totenblass. Aber ist ein wenig Verzicht nicht ein kleiner Preis dafür, unseren Kindern und Kindeskindern einen bewohnbaren Planeten zu hinterlassen? Und überhaupt – ist es tatsächlich Verzicht, wenn wir unsere Lebensweise ganz bewusst ändern? Müssen wir tatsächlich allen Segnungen, die uns die Werbung verheißt, wie Lemminge hinterherlaufen, die Klippe schon vor Augen?

Brauchen wir tatsächlich den 300 PS SUV, der mehr als 10 Liter Diesel auf 100 km umsetzt, wenn wir uns damit vornehmlich in der Stadt bewegen? Genügt dafür nicht ein 50 PS Elektroauto, das wir idealerweise mit unserer eigenen Solaranlage aufladen? Bei der Preisdifferenz zwischen dem SUV und dem kleinen Stromer würde diese heutzutage locker mit abfallen. Müssen wir tatsächlich drei Mal im Jahr irgendwo hinfliegen, um dem grauen Alltag zu entfliehen? Das Graue könnte schon viel bunter werden, würden wir einfach mal wieder mehr miteinander reden – vielleicht sogar darüber, wie wir unsere Politiker zwingen könnten, in der Klimafrage endlich das Richtige zu tun.

Eines kristallisiert sich immer mehr als unumstößliche Tatsache heraus: Entweder wir ändern unsere Art zu leben freiwillig oder die Umstände werden uns mittelfristig ziemlich brutal dazu zwingen. Lassen wir‘s nicht darauf ankommen.