Dieser Beitrag des EU-Parlamentariers Mikuláš Peksa (Piratenpartei Tschechien) wurde zuerst auf auf dessen Homepage veröffentlicht, zu finden unter folgendem Link: https://mikulas-peksa.eu/ge/das-jahr-2021/
Werfen Sie mit uns einen Blick auf die Arbeit, welche die Piraten dieses Jahr im Europäischen Parlament geleistet haben.
Der weltweite Kampf gegen die Pandemie ist noch immer nicht ausgestanden. Die EU-Länder haben den einheitlichen Covid-Pass ins Leben gerufen, der allen Europäerinnen und Europäern und allen Menschen, die in Europa leben, die Türen in alle Länder der Union öffnet – ein unbezahlbares Privileg. Der einheitliche QR-Code gibt uns Reisefreiheit, vom höchsten Norden bis in den tiefsten Süden, vom äußersten Osten bis in den westlichsten Zipfel der Europäischen Union.
Im Sinne unserer Werte als europäische Piratenpartei kämpften wir für eine dezentralisierte Covid-Pass-Lösung, die schließlich von der Kommission genehmigt wurde. Anders als bei der ursprünglich angedachten EU-weiten Datenbank, werden unsere sensiblen Gesundheitsdaten nun lokal gespeichert, wodurch das potenzielle Risiko eines massiven Datenmissbrauchs enorm reduziert werden konnte.
Impfungen gegen Covid-19: Patente freigeben
Im Europäischen Parlament setze ich mich für die Freigabe von Patenten für die Herstellung von Impfstoffen ein. In der aktuellen Situation kann es einfach nicht sein, dass lediglich die Impfstoffentwickler und eine Handvoll ausgewählter Partnerunternehmen diese weltweit so dringend benötigten Impfstoffe herstellen dürfen. Diese Vorgehensweise verteuert jede Impfdosis und verlangsamt den weltweiten Impffortschritt. Beides ist völlig unnötig und sogar gefährlich, da sich so weitere Mutationen entwickeln können, die langfristig auch für Länder mit einer hohen Durchimpfungsrate problematisch werden könnten. Da die Steuerzahler bereits für die Impfstoffforschung bezahlt haben, ist es meiner Ansicht nach nur fair, dass die Patente für diese Impfstoffe freigegeben werden. Ich habe daher die Europäische Kommission und den Rat aufgefordert, die Initiative zur Freigabe der Patente zu unterstützen.
Das Internet der Zukunft: ‚Digital Services Act‘ zum Schutze der Bürgerinnen und Bürger
Die personenbezogenen Daten der Europäerinnen und Europäer werden dank der neuen europäischen Legislative, dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act) – für das ich Hauptberichterstatter im Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) sowie Schattenberichterstatter im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) war – besser geschützt. Ich halte es für keine Übertreibung, dieses Gesetz als revolutionär zu bezeichnen.
Es bringt völlig neue Regeln für große Online-Plattformen. Heute missbrauchen die großen Akteure der digitalen Welt wie Facebook und Google (um nur einige zu nennen) ihre Monopolstellung auf dem Markt und speichern ohne unser Wissen oder unsere Zustimmung enorme Mengen personenbezogener Daten über uns. Mit diesem Gesetz nimmt die Europäische Union eine weltweite Vorreiterrolle bei der Ersetzung veralteter Vorschriften aus der Zeit vor Facebook ein und überholt beispielsweise die USA, wo in den kommenden Jahren ähnliche Rechtsvorschriften auf den Tisch kommen werden.
Der zentrale Gedanke hinter dem Gesetz über digitale Dienste ist das europäische Konzept zur Modernisierung und transparenteren, zugänglicheren und freieren Gestaltung dieser Plattformen. Eine der Hauptforderungen der PIRATEN, die ich in den Abschlussberichten der Ausschüsse ECON und ITRE durchsetzen konnte, ist die sogenannte Interoperabilität. Sie ermöglicht Europäerinnen und Europäern eine plattformübergreifende Kommunikation und damit auch die Öffnung des Digitaldienstemarktes für kleinere Akteure. Gleichzeitig haben wir uns für die Wahrung der Privatsphäre der Nutzer eingesetzt, indem wir die Rechte zur Entfernung illegaler Inhalte klar definiert haben.
DORA: Harmonisierte Sicherheitsstruktur gegen Cyberangriffe im Finanzwesen
Als federführender Berichterstatter im Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) habe ich in diesem Jahr an der europäischen DORA-Verordnung, die Verordnung über die sogenannte ‚Betriebsstabilität digitaler Systeme im Finanzsektor‘ (Digital Operational Resilience Act) gearbeitet, die neue Regeln für die Sicherheit von Finanzdaten und Geld der Bürgerinnen und Bürger in Europa festlegt. Diese Arbeit war und ist enorm wichtig, da es von Jahr zu Jahr mehr Cyberangriffe gibt. Die größten Cyberangriffe sind durchaus in der Lage, auch ganze Bankunternehmen auszuschalten und die Interessen von uns allen zu gefährden. DORA soll sicherstellen, dass im Falle eines Cyberangriffs schnell, effektiv und vor allem organisiert reagiert wird. Die Verordnung vereinheitlicht und verbessert die IT-Sicherheitsanforderungen für Finanzdienstleistungen, um die Auswirkungen eines Angriffs zu minimieren und so unser Geld besser zu schützen.
Ein derartiger Angriff kann, in tschechischen Kronen ausgedrückt, einen Schaden im zweistelligen Millionenbereich verursachen [Anmerkung: Der Wechselkurs Euro zu Krone liegt aktuell etwas unter 1:25]. In DORA ist daher die Verpflichtung zur Entwicklung angemessener Notfallpläne enthalten. Die wichtigsten Erfolge, die wir im Namen der PIRATEN durchsetzen konnten, sind die zentrale Meldung von Vorfällen, die unabhängige Kontrolle von Sicherheitsaudits und der Datenaustausch mit den Behörden. Bislang wurden diese Anforderungen von jedem Mitgliedstaat selbst festgelegt, sodass Banken 27 verschiedene nationale Vorschriften einhalten mussten. Mit DORA wurde dieses System vereinfacht und in einen gemeinsamen europäischen Rahmen gegossen.
Verschwendung öffentlicher Gelder verhindern
Im Ausschuss für Haushaltskontrolle (Committee on Budgetary Control – CONT) bin ich seit Langem mit der Überwachung des Umgangs mit europäischen Geldern befasst. In einer Zeit, in der massiv in die Bekämpfung der Klima- und Pandemiekrise investiert wird, ist es besonders wichtig, eine transparente Umverteilung der Gelder innerhalb der europäischen Fonds sicherzustellen. Als Schattenberichterstatter habe ich an den Empfehlungen des Europäischen Parlaments zur Digitalisierung der öffentlichen Haushaltskontrolle mitgewirkt, die zahlreiche Lösungen zur Verhinderung des Versickerns von Geldern durch Betrugs- und Korruptionshandlungen zu bieten haben. Allein für das Jahr 2019 geht es hier um einen Betrag in Höhe von 3,37 Milliarden Euro.
Ein neues, standardisiertes, digitales Überwachungssystem soll diesen völlig unnötigen Geldverlust verhindern. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf zu erfahren, wohin ihr Geld fließt, weshalb das neue System so transparent wie möglich sein muss. Ich trete auch für die Einrichtung eines öffentlich zugänglichen einheitlichen europäischen Registers der tatsächlichen Eigentümer ein, und dafür, dass die darin enthaltenen Informationen für jedermann überprüfbar sein müssen. Nur so können sich Vertreter der Öffentlichkeit, und insbesondere auch Journalisten, an der Aufdeckung von Betrug und Korruption beteiligen. Ich bin der Ansicht, dass die Europäische Union das Vertrauen der Öffentlichkeit nur durch maximale Offenheit und Verbindlichkeit gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern gewinnen kann.
Korruption aufklären und verfolgen
In diesem Jahr ging auch ein langgehegter Wunsch von mir in Form der Schaffung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO) in Erfüllung. Sie hat die Aufgabe, Handlungen und Umstände zu untersuchen und zu verfolgen, bei denen der Verdacht auf den Straftatbestand der Veruntreuung europäischer Gelder besteht. Jeder eingebundene Mitgliedstaat hat seine eigenen Kandidaten für das Amt als Europäische Staatsanwälte ernannt. Gleichzeitig ist die EPPO als unabhängige europaweite Einrichtung in der Lage, grenzüberschreitenden Betrug zu bekämpfen, was für nationale Richter eine harte Nuss ist.
Allein in den ersten drei Monaten ihres Bestehens wurden 300 Betrugs- und Korruptionsfälle bearbeitet, die zusammen rund 4,5 Milliarden Euro des europäischen Haushalts ausmachten. Dieses Geld kann sicherlich sinnvoller eingesetzt werden als in den Taschen von Oligarchen und Betrügern, die sich daran gewöhnt haben, europäisches Geld und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu missbrauchen. Zu diesen zählt beispielsweise auch der ehemalige tschechische Premier Andrej Babiš – auch ihm droht eine Strafverfolgung durch die Europäische Staatsanwaltschaft.
Transparenz bei Lobbykontakten
Als Hauptberichterstatter habe ich auch zur Schaffung eines gemeinsamen, einheitlichen und unabhängigen ethischen Rahmens der EU beigetragen. Auch die Europäische Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen hat dies zu einer ihrer Prioritäten gemacht. Insgesamt 50% der ehemaligen Kommissare und 30% der ehemaligen Mitglieder des Europäischen Parlaments arbeiten heute für Organisationen, die die EU selbst als Lobbyisten bezeichnet. Damit missbrauchen sie ihre privilegierte Stellung in den EU-Strukturen und ihre Verbindungen zur europäischen Politik. Auch dieses Problem ist durch einen einheitlichen ethischen Rahmen in den Griff zu bekommen, der zu mehr Transparenz bei Lobbytreffen, öffentlichen Auftragsvergaben, der Annahme von Spenden oder der Verwendung von Bankkonten für öffentliche Gelder beitragen wird.
Natur- und Umweltschutz
Auch in diesem Jahr war ich einer der wenigen tschechischen (Euro-)Abgeordneten, die sich intensiv für den Schutz der tschechischen Natur und Umwelt eingesetzt haben. Im Europaabgeordnetenbüro befassen wir uns seit langem mit zwei speziellen Fällen – der Verschmutzung des, und das darauffolgende Fischsterben im Fluss Bečva und dem Bergbau in der Grube Turów. In beiden Fällen liegen meiner Meinung nach klare Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit vor. Gerade Brüssel kann oft helfen, wenn Betroffene in ihren jeweiligen Heimatländern mit versagenden nationalen Regierungen konfrontiert sind. Aktuell befassen wir uns im Europäischen Parlament mit einer Petition tschechischer Bürgerinnen und Bürger, die vom Bergbau in der Grube Turów in Polen betroffen sind. Einen ersten Erfolg konnten wir bereits verbuchen – die Europäische Kommission schloss sich der tschechischen Klage vor dem Europäischen Gerichtshof an und es konnte ein sofort wirksames Abbauverbot erreicht werden.
Gegen Polen wurde jetzt eine Geldstrafe von 35 Millionen Euro verhängt (weil das Land dieser Entscheidung des Gerichts nicht nachgekommen ist), die mit jedem weiteren Tag um eine weitere halbe Million wächst. Es muss allerdings gesagt werden, dass Geldstrafen allein keine Lösung sind, wenn sie nicht den tatsächlichen Verursacher eines Problems treffen. In diesem Fall sind es das Bergbauunternehmen PGE und natürlich die in Polen regierende Partei PiS. Deshalb geht unser Kampf für die tschechische Landschaft und Umwelt weiter. Im kommenden Jahr werden wir uns weiter dafür einsetzen, dass die Kommission und der EU-Gerichtshof das Ende des Bergbaus in Turów durchsetzen.
Als Mitglied der europäischen Fraktion Die Grünen/Europäische Freie Allianz habe ich die Verpflichtung der EU zur Klimaneutralität bis 2050 unterstützt, einschließlich des Meilensteins einer 55%igen Reduzierung der Emissionen bis 2030 (gegenüber dem Wert von 1990). Ich setze mich für eine transparente und im Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen (und nicht mit den politischen Ambitionen der Förderer oder ihrer Verbündeten in den verschiedenen Regierungen) stehende Reduzierung des CO2-Ausstoßes ein. Es ist mir wichtig, dass diese notwendigen Veränderungen auf sozial gerechte Art und Weise erfolgen. Ein Beispiel ist der neu eingerichtete Europäische Fonds für einen gerechten Übergang (Just Transition Fonds – JTF), bei dem wir uns dafür eingesetzt haben, dass die Gelder in Dienstleistungen und Innovationen fließen, die den Bürgerinnen und Bürgern der Union direkt zugutekommen.
In meinen Augen muss dieser Fonds speziell auch kleine und mittlere Unternehmen berücksichtigen, da vor allem sie auf diesem Weg unterstützt werden sollen. Das ist genau jener Punkt, den ich aktuell bei der tschechischen Herangehensweise durchzusetzen versuche, da unsere Behörden einen absolut gegensätzlichen Ansatz verfolgen und, statt die Menschen, in den Kohleregionen große Bergbaugiganten bzw. dubiose Unternehmen mit unklaren Verbindungen unterstützen und fördern möchten.
Ich bemühe mich, die tschechische Öffentlichkeit systematisch und konsequent über die europäische Umweltpolitik zu informieren, da das Thema der Reduzierung des CO2-Fußabdrucks in den tschechischen Medien noch relativ „neu“ ist und es neben vielen Informationen auch zahlreiche Ungenauigkeiten und Vereinfachungen gibt, die es zu berichtigen bzw. zu erklären gilt. Auch aus diesem Grund habe ich 2021 meinen Podcast „Růst s čistým svědomím“ (‚Wachstum mit reinem Gewissen‘) ins Leben gerufen, in dem ich versuche, die Fachdebatten über Umwelt und Nachhaltigkeit in einer für Otto Normalverbraucher verständlichen Form wiederzugeben. Ich möchte das Informationsdefizit in der tschechischen Debatte ausgleichen, das in der Rede unseres Ex-Premiers Babiš bei der COP 26 in Glasgow deutlich wurde. Bei dieser Konferenz diskutierte buchstäblich die ganze Welt darüber, wie die schrecklichen Auswirkungen des Klimawandels auf alles und jeden – auf Menschen, Staaten, Nationen, den Boden unter unseren Füßen, den Zustand der Natur – verhindert werden können, und der tschechische Premierminister die Europäische Kommission wegen der Emissionszertifikate kritisierte, weil es ihm nicht gefiel, dass auch seine Chemiekonzerne zahlen sollen.
Auf ein erfolgreiches Jahr 2022
Ich freue mich, dass meine Arbeit konkrete Ergebnisse zeigt. Sei es die Förderung der Interoperabilität im Entwurf des Gesetzes über digitale Dienste, die das Funktionieren der digitalen Welt langfristig stark beeinflussen wird, oder der Covid-Pass, der uns europäischen Bürgerinnen und Bürgern das tägliche Leben erleichtert.
Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung und wünsche Ihnen einen guten Start ins Jahr 2022.