Die Piraten warnen vor dem diese Woche veröffentlichten Plan der EU-Kommission zur „Entfernung terroristischer Inhalte“ aus dem Internet.

„Die leicht zu umgehenden Internetsperren und automatisierten Upload-Filter bedeuten das Aus für unzählige Internetdienste und gefährden die Meinungsfreiheit im Netz“, warnt Patrick Breyer, Bürgerrechtler und Spitzenkandidat der Piratenpartei zur Europawahl 2019. „Die Anti-Terror-Pläne der EU-Kommission sind selbst ein Anschlag auf das freie Internet. Internet-Zensur ist der falsche Weg, um gewaltbereitem Extremismus zu begegnen. Sie liefert unter anderem Islamisten Argumente gegen den Westen und führt bestenfalls zum Abtauchen von Sympathisanten jeglicher extremistischer Strömungen in den Untergrund.“

Im Einzelnen nennt die Piratenpartei acht Kritikpunkte an dem Verordnungsentwurf.

  1. Viele Internetdienste müssten den Betrieb einstellen:
    Die EU-Zensurverordnung erfasst nahezu alle Internetdienste, beispielsweise Blogs mit Kommentarfunktion, Meinungsforen, Wikipedia, Filesharing-Dienste, Software-Entwicklungsportale oder Nachrichtenportale mit Kommentarfunktion. Durch die Verordnung droht einer Vielzahl von Internetdiensten das Aus, weil deren Anbieter den geforderten Einsatz von Upload-Filtern oder die geforderte Löschung von Inhalten binnen einer Stunde – selbst zur Nachtzeit – nicht gewährleisten können.
  2. Fehleranfällige Upload-Filter gefährden die Meinungsfreiheit:
    Internetanbieter sollen zur automatisierten Suche nach noch unbekannten „terroristischen Inhalten“ verpflichtet werden, ohne dass eine menschliche Überprüfung vor der Sperre erfolgen muss. Solche Upload-Filter sind Zensurmaschinen, die nachgewiesenermaßen auch völlig legale Inhalte unterdrücken (zum Beispiel Dokumentationen von Menschenrechtsverletzungen in Bürgerkriegen). Unsere Meinungs- und Informationsfreiheit darf nicht ausschließlich von Algorithmen und Maschinen bestimmt werden. Ein menschliches Korrektiv ist hier unabdingbar.
  3. Fehlende Unabhängigkeit der Zensurbehörden:
    Die Behörden, die Sperrungen „terroristischer Informationen“ anordnen sollen, müssen laut EU-Vorschlag nicht unabhängig sein. Es gibt auch keinen Richtervorbehalt für Sperranordnungen. Damit könnte unsere Meinungs- und Informationsfreiheit beispielsweise in die Hand des ungarischen Innenministeriums oder eines örtlichen Polizeibeamten in Rumänien gelegt werden. Das ist inakzeptabel. Die Entfernung von Inhalten anzuordnen, muss einer unabhängigen Behörde wie einem Gericht, einem Beauftragten für Meinungsfreiheit oder einem Bürgeranwalt vorbehalten bleiben.
  4. Willkürlicher Privatzensur wird Vorschub geleistet, statt sie zu verhindern:
    Das Verfahren für Sperranordnungen soll durch behördliche „Hinweise“ an Provider umgangen werden können. Unsere Meinungs- und Informationsfreiheit darf jedoch nicht in die Hände privater Internetkonzerne gelegt werden, die oft vollkommen willkürlich Inhalte löschen. Vielmehr müsste es Internetanbietern zum Schutz der Meinungsfreiheit verboten werden, legale Inhalte willkürlich zu löschen oder zu sperren.
  5. Fehlende Transparenz und Kontrolle:
    Eine unabhängige Überprüfung von Sperrungen ist nicht gewährleistet. Der Autor eines Inhalts soll von der Sperrung nicht benachrichtigt werden müssen, selbst wenn er Kontaktdaten hinterlassen hat. Wir fordern, dass der Autor informiert wird und nicht nur er, sondern auch jeder andere Bürger, dem Informationen vorenthalten werden, zur Anfechtung von Sperrungen berechtigt ist. Nur so können sich beispielsweise Nichtregierungsorganisationen für Meinungsfreiheit im Netz und gegen ungerechtfertigte Unterdrückung von Informationen einsetzen.
  6. Untaugliche Internetsperren durch Geolocation:
    Es ist anzunehmen, dass Anbieter einfache Techniken zur Geolocation einsetzen werden, weil sie „terroristische Inhalte“ nicht löschen, sondern nur für Nutzer aus der EU sperren müssen. Eine solche Sperre lässt sich jedoch technisch leicht umgehen. Die Verbreitung terroristischer Propaganda wird somit de facto nicht verhindert.
  7. Ein „rein Europäisches Internet“ droht:
    Anstatt eine internationale Verständigung auf universell geächtete Inhalte herbeizuführen, soll ein europäisches Regionalnetz mit Netzsperren für Inhalte, die zum Beispiel in den USA völlig legal abrufbar bleiben, geschaffen werden. Das widerspricht dem Grundgedanken eines weltweiten Netzes.
  8. Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür?
    Die EU-Zensurverordnung leistet einer anlasslosen Aufzeichnung unseres privaten Surfverhaltens Vorschub. Bei Sperrung „terroristischer Inhalte“ fordert sie vom Anbieter die Aufbewahrung der zugehörigen Nutzerdaten, obwohl derartige Daten im Regelfall gar nicht aufgezeichnet werden dürften. Es besteht die Gefahr, dass Anbieter sämtliche Uploader registrieren, nur um im Bedarfsfall der Aufbewahrungspflicht nachkommen zu können. Ein freies Netz braucht Anonymität.