Bei der Volksabstimmung in Russland am 01.07.2020 hat sich Präsident Wladimir Putin mit 78,5 Prozent die Regierungsoption bis zum Jahr 2036 (Zar Putin der I) gesichert. Die Möglichkeit, über die „reguläre“ Amtszeit hinaus regieren zu können, wurde geschaffen, indem ein Reset der bisherigen Amtszeiten durch diese Volksabstimmung bestätigt wurde.
Bis auf eine kurze Unterbrechung nach dem Fall der Sowjetunion hatte Russland keine Erfahrung mit demokratischer Tradition, die Jahre mit Jelzin werden wegen der Wirren dieser Zeit auch nicht gerade geschätzt. Putin ist ein Kind dieser Gesellschaft, der Verlust der Weltmachtstellung wurde nie überwunden. Gorbatschow, den man für den Untergang der UdSSR und somit den Verlust des Supermachtstatus verantwortlich macht, wird ebenfalls nicht geschätzt in Russland.
Gefragt, was er tun würde, wenn er in der Zeit zurückreisen könnte, antwortete Putin, den Untergang der UdSSR verhindern. Sowohl die Ambitionen in der Ukraine, als auch die Annexion der Krim basieren auf diesem Verlust. Ein russischer Präsident kann es sich faktisch nicht leisten, schwach zu sein oder zu wirken, dies wird nicht akzeptiert.
Gleichzeitig hat die russische Bevölkerung, auch wenn sie Wechseloptionen hätte, Angst vor Veränderungen. Den aktuellen Herrscher kennt man ja, der ist schon satt, und der nächste muss sich erst einmal die Taschen voll machen.
Neben der Verlängerung der Amtszeit gab es weitere Veränderungen, die die Macht des Präsidenten stärken, aber auch russisches über internationales Recht setzen. So finden sich auch veränderte Regelungen, die die Integrität des russischen Staatsgebiets festschreiben und beispielsweise die Annektion der Krim nach russischem Recht legitimieren.
Die Volksabstimmung lief wie in Russland üblich mit größeren Festivitäten, Gewinnspielen usw. umrahmt ab, zuvor noch die verschobene Siegesparade zum 75. Jahrestag des Ende des 2. Weltkrieg. Die Abstimmung an sich wäre auch nicht notwendig gewesen, da Präsident Putin das gesamte Änderungswerk im Parlament bereits bestätigen ließ und auch schon unterschrieben hatte. Durch eine „Volksabstimmung“ bekommt die Verfassungsänderung allerdings noch eine andere Legitimation. Mit einem offiziellen Ergebnis von 78,5% Prozent ist diese sowjetisch anmutende „Abstimmung“ zu Ende gegangen.
Faktisch hat sich Putin die Ermächtigung für zukünftige Abenteuer und die entsprechende Zeit geholt, um im Sinne von „Make Russia Great Again“ zu agieren. Putin fühlt sich durch das nationale Trauma ( Zusammenbruch der UdSSR) geradezu gezwungen, Russland wieder zu einer Großmacht zu formen. Zudem ist in Russland das Bewusstsein, sich als Nachfolgenation des Oströmischen Reiches zu betrachten, tief verwurzelt.
Was bedeutet das für Europa im Umgang mit Russland und Putin? Zunächst ist es nötig, für europäische Werte zu stehen, weiterhin respektvoll und freundlich miteinander umzugehen, aber auch klare Kante bezüglich der Destabilisierungsversuche, vor allem in Osteuropa und dem Baltikum zu zeigen. Man darf sich hier nicht spalten lassen und muss in Europa fest zusammenstehen, mit einer Stimme sprechen, sowie ein gemeinsames europäisches Geschichtsbewusstsein entwickeln.
Guter Text. Was wir „Demokraten“ oft verkennen, ist die Tatsache, dass die Menschen in Russland mit ihrem Präsidenten mehrheitlich zufrieden sind – ob zu. 78,5% sei dahingestellt. Solange eine Autokratie genügend und tendenziell mehr Brot liefert (Putin kriegt das offensichtlich hin), wird sie als solche leider akzeptiert. Oder wie Brecht einst sagte: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“
Kritik zum Statement über „Destabilisierungsversuche“: Mir würde das Wort „Machtpolitik“ besser gefallen. Einfach weil sie seitens der NATO genauso betrieben wird. Schuldige? MMn. beide Seiten. Wie wäre es mit der Alternative, Russland in ein gemeinsames Europa einzubinden? Wenigstens, es zu versuchen? Dann müsste Putin Farbe bekennen. Saublöde Idee…sagt Trump, ich weiß.
Propaganda gegen Russland – über den Aufbau eines Feindbildes durch den Westen
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German Foreign Policy
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