Unter dem Motto „Solidarischer Herbst“ fanden am 22.10.22 bundesweit Demonstrationen und Kundgebungen statt. Getragen von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis fanden sich dabei über 24.000 Menschen zusammen. Ich selbst war bei der Kundgebung in Hannover anwesend. Beiträge von verschiedenen Organisationen mahnten dabei eine sozial gerechte Klimapolitik, Einkommensanpassung an die Inflation, zielgerichtete Heiz- und Stromkostenhilfen und Investitionen in eine sozial verträgliche Mobilitätswende an. Alles hängt mit allem zusammen, nichts darf einzeln betrachtet werden. Das wurde damit einmal mehr dargestellt.
Was niemand gefordert hat, war, um es im Stil von Bundeskanzler Scholz zu sagen, ein Dreifachwumms bei der energetischen Sanierung einerseits und der generellen Umstellung auf regenerative Energien andererseits zu fordern.
Energetische Sanierung
Ersteres würde direkt den Menschen zu Gute kommen. Denn damit sinken die Verbräuche an Heizenergie und damit auch die Heizkosten. In der derzeitigen Rechtslage würde eine derartige Modernisierung zu einer Erhöhung der Mietkosten führen, was in der aktuellen Situation mit massiver Steigerung der Lebenshaltungskosten für viele Menschen nur schwer finanzierbar sein dürfte.
Würden die entsprechenden Investitionen nicht nur wie aktuell mit 15% gefördert sondern bspw. wie beim Strom- oder Gaspreis zu 80%, wären die Mieterhöhungen sehr viel schneller bzw. finanziell verträglicher refinanziert. Und durch die damit in Verbindung stehende Energieeinsparung mehrheitlich wahrscheinlich gar nicht spürbar, da die Warmmietekosten entsprechend fallen. Hier hätten wir also wirklich eine solidarische Finanzierung, da diese aus allgemeinen Steuermitteln erfolgt. Eine entsprechende Förderrichtlinie könnte sich ausschließlich auf Mehrfamilienhäuser beziehen oder an einer entsprechenden Wohnfläche orientieren. Die berühmt berüchtigte Villa mit Swimmingpool anders als beim Gaspreisdeckel erhielte damit keine Förderung. Damit wäre sie zielgerichteter, als das bislang geplante Vorgehen.
Aktuell tauchen derartige Überlegungen in keiner öffentlichen Diskussion auf. Doch auch die gerade verhängte Strafzahlung in Millionenhöhe für u.a. im Gebäudebereich nicht erreichte Klimaschutzziele zeigt den massiven Nachholbedarf in diesem Bereich.
Regenerative Energien
Viel wichtiger wäre jedoch, massiv in den Ausbau der regenerativen Energien, insbesondere der Photovoltaik, zu investieren. Insofern ist beispielsweise die niedersächsische Regelung bei weitem nicht ausreichend. Sie sieht ab 2023 bei Neubauten von Nicht-Wohngebäuden eine mehr als löcherige Solar-Dachpflicht und für Wohngebäude lediglich eine Vorbereitung für die Installation vor. Hier muss dringend nachgeschärft werden, um wirkliche Wirkung zu entfachen. Denn allein, dass es die Möglichkeit gibt, die Pflicht bei „Unwirtschaftlichkeit“ zu umgehen, ist unter den derzeitigen Preisentwicklungen eine der wahrscheinlichsten Verweigerungsgründe bei in Quartalszahlen denkenden Unternehmen.
Dies dürfte den weitaus höheren Anteil an Investitionen zur Folge haben. Doch es gibt verschiedene Gründe, warum es immer noch kein entsprechendes Paket von Seiten der Bundesregierung gibt. Erstens hat man in der Vergangenheit systematisch die EE-Industrie in Deutschland kaputt gemacht. Fachkräfte, die nun an allen Ecken und Enden fehlen, sind dadurch abgewandert. Der vorläufige Höhepunkt war die Aufgabe eines der letzten großen Hersteller von Rotorblättern für Windkraftanlagen. Eine nennenswerte Solarindustrie gibt es schon länger nicht mehr.
Ein weiterer Grund resultiert daraus. Denn mittlerweile dominiert China den Markt für Photovoltaikanlagen. Kein Wunder also, dass Bundeskanzler Scholz keine Verstimmungen im Verhältnis zu diesem Überwachungsstaat aufkommen lassen will und sich vehement dafür einsetzt, gegen bestehende Erfahrungen aus dem Verkauf von Gasspeichern an russische Unternehmen und Ratschläge aus den eigenen Reihen, mit Teilen des Hamburger Hafens erneut ein Stück Infrastruktur in fragwürdige ausländische Hände gehen zu lassen. Es wird spannend sein, welche Bereiche der Deutschen Wirtschaft ihn bei seiner demnächst anstehenden China-Reise begleiten werden. Das könnte ein Fingerzeig sein, welche Schwerpunkte in den Wirtschaftsbeziehungen gelegt werden sollen.
Damit werden aber die Fehler der Vergangenheit noch auf eine andere Weise wiederholt. Ziel muss doch sein, eine eigenständige deutsche oder besser noch europäische Wirtschaft aufzubauen, die insbesondere im Bereich von Infrastruktur und Zukunftstechnologie unabhängig von politischen Entwicklungen im Ausland agieren kann. Dazu gehört dann auch die Entwicklung alternativer Werkstoffe, um sich unabhängig von ausländischen Rohstoffen zu machen. Mit einer entsprechenden Forschungspolitik kann man die Grundlagen schaffen.
Alles andere ist – vor allem, wenn es Potentaten in fragwürdigen Regimen wie Katar, Saudi-Arabien oder eben auch China zu Gute kommt – unsolidarisch mit den Menschen vor Ort.
Zum Autor: Thomas Ganskow, 55, ist Landesvorsitzender der PIRATEN Niedersachsen und war Spitzenkandidat zur Landtagswahl 2022.