Borys Sobieski

Borys Sobieski

Vorsitzender

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Heute am 3. Oktober 2024 begehen wir den 34. Tag der Deutschen Einheit. 34 Jahre Bundesrepublik Deutschland – doch ganz so einfach ist das nicht. Die Bundesrepublik ist dieses Jahr ganze 75 Jahre alt geworden, und dennoch war Deutschland über die Hälfte dieser Zeit zweigeteilt. Eine Teilung, welche in vielen Bereichen weiterhin fortbesteht.

Vor 34 Jahren, zum Ende des Kalten Krieges zwischen Westmächten und dem Ostblock, rückte das geteilte Deutschland wieder näher zusammen. Zumindest auf der Landkarte, denn zu groß waren damals die Unterschiede zwischen den beiden deutschen Staaten.

Zusammengekommen sind auf der einen Seite ein komplett durchorganisierter Staat, mit guter Kinderbetreuung, kaum Arbeitslosigkeit und einem starken Gesundheitswesen und funktionierender staatlicher Rente. Auf der anderen Seite dann ein wirtschaftlich starker Staat, demokratisch groß geworden und einer Bevölkerung, welche mehrere Gelegenheiten hatte, demokratische Werte zu entwickeln und auszubilden.

Die offensichtlichsten Unterschiede wiederum waren mit bloßem Auge zu sehen. Nicht umsonst warb Helmut Kohl mit den blühenden Landschaften, die es bald wieder im Osten des vereinten Deutschlands geben sollte. Und ganz im Sinne der damaligen Zeit wurde begonnen, mit einem immensen finanziellen und logistischen Aufwand die neu hinzugekommenen östlichen Bundesländer auf „Westniveau“ zu bringen.

Die Wiedervereinigung Deutschlands war das bildliche Symbol für den Sieg der Westmächte über den Ostblock im Kalten Krieg. Was aus dem Westen kam, war gut. Alles, was der Osten zu bieten hatte, war nichts mehr wert. Selbst in den Bezeichnungen der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen gab es Unterschiede. Es gab nicht nur den Wessi und den Ossi, nein es gab auch bald schon den Besserwessi, den Westler, der es so oder so immer besser wusste. Den „Schlechterossi“ gab es nicht. Ossi reichte einfach aus, um ein abwertendes Urteil zu fällen.

Und mit der Zeit kamen sie dann, die blühenden Landschaften im Osten. Häuser, Straßen, Bahninfrastruktur. All das glich sich an. Toll – hätte man meinen können.

Bei all dem wurden aber die Menschen vergessen. Im Osten, aber auch im Westen. Im Westen fiel das nur lange Zeit nicht so auf. Viele gesellschaftliche Errungenschaften, welche seit der Wiedervereinigung im Osten plötzlich fehlten, wurden im vereinten Deutschland nur nach und nach wieder erkämpft und so manches fehlt weiterhin schmerzlich.

So war die Gesellschaft im Osten sehr viel weiter, was die Emanzipierung von Frauen anging. Unter anderem auch, da die Kinderbetreuung in der DDR gesamtgesellschaftlich geregelt und Frauen einem Beruf nachgehen konnten, ohne dafür verurteilt zu werden, schlechte Mütter zu sein.

Je mehr sich die Lebensumstände in Ost und West anglichen, umso mehr traten und treten die Ungleichheiten hervor. Immer noch liegt das Lohnniveau und damit auch das Rentenniveau im Osten unter dem im Westen. Kein Wunder also, dass viele junge Menschen aus dem Osten in den vergangenen Jahren weggezogen sind. Im Gegenzug dazu werden Führungspositionen immer noch zum Großteil mit Menschen, hauptsächlich Männern, aus dem Westen besetzt.

Und immer noch herrscht im Westen das Gefühl vor „wir geben“. Doch nicht mehr in einem überlegenen, überheblichen Sinn, sondern viel mehr mit Neid und Missgunst. Und auch wenn der Solidarpakt 2019 ein Ende gefunden hat, ist die Stimmung geblieben. Jetzt sind es die Gemeinden im Westen, die unter einer desolaten Infrastruktur leiden.

Sicher gibt es dafür viele Gründe. Nur stehen den Tatsachen oft die Gefühle der Bevölkerung im Weg. Gefühle, welche gezielt von allen Seiten und insbesondere den extremen Rändern gezielt genutzt werden, um Ängste zu schüren. Gefühle, welche von den Etablierten in der Politik zu lange ignoriert wurden, auf die es keine Antworten gab und gibt. Zurück bleiben Menschen, die einfachen Parolen verfallen, die Geschichte und das Schlechte, das aus diesem Land kam, vergessen und verdrängen. In der Hoffnung auf eine bessere Zeit, wie vermeintlich in vergangenen Tagen.

Soll es das jetzt gewesen sein? Taumeln wir nach 34 Jahren deutscher Einheit zurück in dunkle Zeiten?

Oder besinnen wir uns auf die Stärken unserer Gesellschaft. Darauf, was wir als deutsche Gesellschaft in der Lage sind, zu bewegen. Schaffen wir es, zusammenzustehen. So wie wir das so oft getan haben, um das, was heute selbstverständlich ist, zu erkämpfen. Einen sozialen Staat, gute Arbeitsbedingungen, die Möglichkeit eines jeden, sich frei zu entfalten. Und ja, auch die Stärke, ein geteiltes Land zu einen, wie vor 34 Jahren. Hierfür brauchen wir eine Politik, welche die strukturellen Ungleichheiten zwischen Ost und West beseitigt und so den Menschen zeigt, dass wir alle gleich sind in diesem unserem Land. Eine Politik, die zeigt, dass die Menschen eine gemeinsame Zukunft haben, und zwar in Deutschland mit all seinen vielfältigen Ländern und Kulturen. Als geeintes Deutschland in Europa.

Ich bin überzeugt, dass wir das gemeinsam können.

Borys Sobieski
Vorsitzender