Der Ausspruch „Dann gehen wir nach Karlsruhe!“ ist längst zum geflügelten Wort all jener geworden, die das Bundesverfassungsgericht um Recht und Gerechtigkeit ersuchen wollen. Er ist aber zugleich auch Ausdruck dafür, wie gut es den Müttern und Vätern des Grundgesetzes gelungen ist, diesen universellen Anspruch in der Verfassung zu verwirklichen. Denn auch 69 Jahre nach seinem Inkrafttreten wirkt das Grundgesetz keineswegs aus der Zeit gefallen. Vielmehr liefert es in seinen grundlegenden Aussagen stets Antworten auf aktuelle politische und gesellschaftliche Fragen. Es beeindruckt dabei stets aufs Neue, mit welcher Weitsicht die Abgeordneten des Parlamentarischen Rates die damals 146 Artikel formulierten.
Die größte Errungenschaft des Grundgesetzes bleibt jedoch der Umstand, dass in ihm die universellen und unveräußerlichen Grundrechte eine derart exponierte Stellung einnehmen. Sie bilden das erste Kapitel der Verfassung und stehen damit noch vor allen anderen Vorschriften zum Staatsaufbau. So beginnt das Grundgesetz mit dem unmissverständlichen Bekenntnis zur Würde des Menschen, welche unantastbar sein soll. „Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Diesen Appell erachteten die Verfasser als so essenziell, dass sie ihn zugleich mit einer Ewigkeitsklausel für alle Zeit festschrieben. Ähnliches gilt auch für den darauf folgenden Katalog an Grundrechten, die ihrem Wesensgehalt nach nicht angetastet werden dürfen. Sie schützen unter anderem das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Gleichheit vor dem Gesetz, das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Pressefreiheit.
Auch wenn die Verfassung ursprünglich nur als Abwehrrecht gegenüber dem Staat gedacht war, setzte sich nach und nach die Erkenntnis durch, dass unsere Grundrechte als allgemeinverbindliches Wertesystem fungieren, welches für alle Bereiche des Rechts bindend ist. In diesem Geiste sind im Laufe der Jahre durch das Bundesverfassungsgericht – „Hüter des Grundgesetzes“ – Urteile gefällt und Präzisierungen getroffen worden, die wegweisend sind. Prägnantestes Beispiel hierfür ist das sogenannte Volkszählungsurteil von 1983, mit dem die Karlsruher Richter ein „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ aus den bestehenden Grundrechten auf Menschenwürde und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ableiteten.
Doch auch wenn diese Grundrechte auf alle Ewigkeit festgeschrieben scheinen, so gilt es, sie im Alltag stets aufs Neue zu verteidigen und aktiv mit Leben zu füllen. Diesem Auftrag sehen gerade wir Piraten uns in besonderem Maße verpflichtet. Unser Grundsatzprogramm leitet sich in vielerlei Hinsicht direkt aus der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ab. Daher heißt es auch für uns bei jedem zukünftigen Angriff auf das Grundgesetz: wir sehen uns in Karlsruhe!
Weitere wegweisende Urteile:
-> 1983 Volkszählungsurteil: Das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ wird erstmals defniniert und leitet sich aus dem Grundrecht auf Menschenwürde und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ab.
-> 1995 „Tucholsky-Entscheidung“: Die Aussage „Soldaten sind Mörder!“ fällt unter die Meinungs- und Pressefreiheit.
-> 2004 „Großer Lauschangriff“: Die sogenannte „akustische Wohnraumüberwachung“ wird als teilweise verfassungswidrig aufgehoben.
-> 2005 Luftsicherheitsgesetz: Der Staat darf nicht das Leben vieler gegen das Leben weniger abwägen.
-> 2006 Aufhebung der sogenannten „Rasterfahndung“ im Rahmen des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes.
-> 2008 Das anlasslose, flächendeckende Scannen von Kfz-Kennzeichen ist verfassungswidrig.
-> 2009 Wahlcomputer: Die Durchführung von Wahlen mittels Wahlcomputern, deren Funktionieren nicht öffentlich nachvollziehbar ist, wird untersagt.
-> 2010 Vorratsdatenspeicherung: Die deutschen Vorschriften werden für verfassungswidrig und nichtig erklärt, alle bisher angesammelten Daten sind sofort zu löschen.
-> 2011 Sperrklausel für EU-Wahlen: Die bisher gültige Sperrklausel von 5% ist nichtig. 2014 scheitert auch der Versuch, eine Sperrklausel von 3% durchzusetzen.
Die Würde des Menschen ist unantastbar…es sei denn der Mensch ist:
– Asylbewerber,
– Hartz-IV – Bezieher,
– Multi-Mini-Jobber,
– Geringverdiener
– unmündiger Nachkomme der ersten 4,
– mittelloser, pflegebedürftiger Rentner…
Ja – ziehen wir nach Karlsruhe zur Abschaffung dieser Ausnahmen.